Meinung

Suhrkamp: Raketen im Wolkigen

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Was die Berliner Immobilien-Panne über den Suhrkamp Verlag verrät. Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteur Holger Heimann.

Wenn einer umzieht, in eine andere Stadt geht, dann ist es nicht schlecht, wenn er weiß, wo er dort unterkommt. Hat er Familie, dann versteht sich eine­ gute Planung fast von selbst. Geht es gar um den Umzug eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter, sollte die Verantwortung für viele zu noch sorgfältigerem Vorausdenken führen. Der Suhrkamp Verlag ist ein besonderes Unternehmen, das ist bekannt. Wie anders, das zeigt jetzt nicht nur die Aufregung um das Verlagsarchiv, sondern auch der geplante Wechsel nach Berlin.

Denn wohin dort, das weiß gut ein halbes Jahr vorher plötzlich keiner mehr. Ins marode Nikolaihaus jedenfalls geht es am 1. Januar 2010 nicht. Ein Ausweichquartier muss her, auf unbestimmte Zeit. Zur Erinnerung: Die Hauptstadt wollte Suhrkamp und umwarb den Verlag – auch mit angeblich attraktiven Immobilien. Genau hingeschaut hat offenbar niemand.

Mit Nachsicht ließe sich urteilen: Die Verhandelnden auf Verlagsseite haben sich ungeschickt verhalten. Das kann passieren und solange sie viel vom Geschäft mit Büchern verstehen, zu dem Umzüge nicht regelmäßig gehören, ist das vielleicht sogar lässlich. Anders jedoch wäre es, wenn die peinliche Panne dafür steht, dass Abenteurer über die Geschicke eines immer noch glanzvollen Verlags bestimmen. Die Suhrkamp-Führung hat Berlin zum "Labor" oder auch zur "Raketenbasis für die neuen Bücher" ausgerufen. Das sind mehr oder weniger geglückte Umschreibungen des Vagen. Konkret ist die Unsicherheit. Der Verlag laboriert an sich selbst. Die Basis wird noch saniert und die Raketen schwirren im Wolkigen.