Die Buchbranche gilt nicht unbedingt als Pflaster des streng rationalen Denkens. Die zumeist bibliophilen Vertreter der Branche gehen eher intuitiv an den Gegenstand ihres Herzens heran und auch der heutige Branchennachwuchs schlägt nicht aus der Art. So stürzten sich die Teilnehmer der diesjährigen Azubi-Donauschifffahrt (
Buchhandelsazubis lernen auf der Donau) leidenschaftlich auf die ihnen zum Fraß vorgeworfenen Leseexemplare des Diogenes-Verlages. Mit stolzgeschwellter Brust trugen sie ihre Kriegsbeute in die Reisebusse, die zur triumphalen Rückkehr in die Heimat bereit standen.
Vor diesem glorreichen Sieg mussten die tapferen Seefahrer jedoch noch einigen Widrigkeiten trotzen. Die Mächte des Schicksals führten zunächst den kauzigen Busfahrer und die Reisegäste zu unterschiedlichen Ausgängen des Nürnberger Hauptbahnhofes. Nachdem sie sich glücklich zusammengefunden hatten, setzte sich die Odyssee fort. Zunächst hinderte eine gesperrte Nürnberger Ausfallstraße unsere Helden daran, die Fernstraße gen Süden zu erreichen und kurz vor Kelheim wurden die Navigationsfähigkeiten des Fahrers erneut auf die Probe gestellt: Auch hier hatte es den Göttern gefallen ihnen den Weg zu versperren.
Ein weiterer Schicksalsschlag folgte nach dem Landgang am Nachmittag, wo die Mannschaft den Verlust zweier Erlanger Buchwissenschaftlerinnen feststellen musste. Wahrscheinlich waren sie den sirenenhaften Verlockungen des örtlichen Waldroseneises erlegen. Ein geschäftstüchtiger Fremder fuhr sie zu einer Anlegestelle, wo sie der Mannschaft unter stürmischen Beifall wieder zugeführt wurden. Für den Rest der Schifffahrt belästigte die Expeditionsteilnehmer nur noch die sengende Sonne.
Somit konnten sie sich ganz ihrer beruflichen Sinnsuche hingeben und in kleinen taktischen Kampfeinheiten zwischen verschiedenen Vertretern aus Marketing und Vertrieb, Presse und Journalismus, Zwischenbuchhandel und Sortiment umherirren. Auch die Repräsentanten von vier buchwissenschaftlichen Studiengängen (
Welcher Studiengang ist der richtige für den Branchennachwuchs?) und Experten für Personalentwicklung ließen die Ratsuchenden an ihrer Weisheit teilhaben.
Aber wie Seneca schon sagte: Wer keinen Zielhafen hat, für den ist jeder Wind ein ungünstiger. So waren viele Teilnehmer von ihren Möglichkeiten überwältigt und in ihrer Berufssuche desorientiert. Die einen wissen nicht mehr, als dass sie irgendwann einmal mit Büchern arbeiten wollen. Die anderen wissen nicht, wie sie ihren Traumposten als Kinderbuchlektor oder Verlagsvertreter erreichen können.
Die allgemeine Unsicherheit und die internationale Krisenstimmung tun ihr Übriges um den zukünftigen Vorreitern der Branche die Wahl ihres Weges zu erschweren.
Die Personalentwickler rieten den orientierungslosen Helden jedoch dazu sich ihres Wertes bewusst zu werden und sich durch Hindernisse nicht abschrecken zu lassen, die nur scheinbar unüberwindbar sind. Viele in der Buchbranche Beschäftigte hatten schließlich auch keinen konstanten Werdegang: Sie orientierten sich um und eroberten neue Betätigungsfelder. Lebenslaufoptimierung und fixe Karriereziele sind also nicht alles. Auch wenn viele Ratgeber das Gegenteil behaupten. Hoffen wir, dass die Odyssee der neuen deutschen Buchelite ein glückliches Ende findet. Und keiner Schiffbruch erleidet.