Nach dem Besuch in Hamburg im vorigen Jahr reisten wir für das 39. Seminar für Antiquare wieder nach München – in den Südosten der Republik. Die Exkursionsfahrt am Samstag führte uns dann noch weiter östlich, nämlich ins frühlingshaft blühende, sonnendurchflutete Salzburg. Aber die eigentliche große Abenteuerfahrt ging viel weiter in den Osten: nach Ungarn, nach Serbien, ins Baltikum, in die Ukraine – ja, bis ins ferne Russland, dessen Buchkunst und Kultur von zahlreichen Seiten beleuchtet wurde.
Der früher an der Eutiner Landesbibliothek tätige Wolfgang Griep führte mit einem Überblick über die Berichte von Reisen nach Osteuropa ins Thema ein, worauf Gudrun Wirtz von der Osteuropa-Sammlung Zimelien der Bayerischen Staatsbibliothek vorstellte. Beatrice Hernad präsentierte dann mit eloquentem Charme ein ganzes Kapitel moderner russischer Literatur in Künstler- und Malerbüchern seit der Erneuerung der Buchkunst um 1900.
Auf dieser Grundlage konnte Carola Pohlmann das sicherlich farbenfrohste Kapitel der modernen russischen Buchillustrationen beleuchten, nämlich die russischen Kinderbücher zwischen Jugendstil und Konstruktivismus. Werke von Kornei Iwanowitsch Tschukowski, Samuil Jakowlewitsch Marschak, Wladimir Wladimirowitsch Majakowski mit Illustrationen von Natan Issajewitsch Altman oder dem großen Iwan Jakowlewitsch Bilibin führten die Seminarteilnehmer tief in die russische Seele ein, die in dieser Zeit zwischen Sehnsucht nach Geborgenheit in der traditionsreichen Volkskunst und der Weltöffnung oszilliert, wie es etwa der starke Einfluss der japanischen Farbholzschnitte zeigt.
Während Norbert Donhofer, Antiquar in Wien und Vorsitzender des österreichischen Verbands, von seinen aufregenden Reisen und noch aufregenderen Geschäften in den osteuropäischen, ehemaligen kaiserlich-königlichen Staaten berichtete, konzentrierte Dirk Heißerer seinen literarischen Spaziergang durch München diesmal auf das Thema „Vom Ostwind verweht. Literaten und Künstler aus Osteuropa in München".
Nein – Russisch haben die Teilnehmer des 39. Seminars für Antiquare während der vier ereignisreichen Tage nicht lernen können – wohl aber einen Crashkurs in kyrillischer Schrift erhalten, den Wolfgang J. Lacher geschickt anhand der Entwicklungsgeschichte der serbischen Schriftsprache einflocht.
Der über zwei Stunden dauernde, das Thema verlassende und sich recht sachlich ankündigende Vortrag über rechtlichte Rahmenbedingungen im Antiquariatshandel von Rechtsanwalt Christian Solmecke, Köln, wurde zu einem der spannendsten Veranstaltungen des Seminars. So zog der Anwalt mit geschliffener, treffsicherer Rhetorik die staunenden Zuhörer aus dem Dunkel eines vagen Ahnens um Rechte und Pflichten des Onlinehändlers ins Licht – oder besser Zwielicht – des juristisch Zulässigen und Unzulässigen. Wie sehr diese Fortbildungsveranstaltung auch praxisorientierte Bildung vermitteln kann, wurde damit eindrucksvoll vorgeführt.
Dieser Bericht erscheint erweitert und mit einer Teilnehmerliste auch im Juni-Heft der Zeitschrift "Aus dem Antiquariat" (12. Juni). Das 40. Seminar für Antiquare wird vom 13. Mai bis 16. Mai 2010 in Berlin stattfinden, Gastgeber und Organisator vor Ort ist das Haus Bassenge.