Microblogging

Wie Verlage und Buchhandlungen Twitter nutzen

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Die Spezies "Karteileiche" kommt bei sozialen Netzwerken häufig vor, vor allem bei Twitter. Dennoch setzen Verlage und Buchhändler den Kurznachrichtendienst erfolgreich ein. Einige Praxisbeispiele.

Bernd Sommerfeld, Buchhändler bei Lehmanns, hat über Twitter schon so machen Kunden in seine Buchhandlung in Berlin gelockt. "Über die Realtime-Suche finde ich alle Leute, die sich gerade mit einem Thema beschäftigen. Da kann ich mich einklinken und ein Buch empfehlen." Sommerfeld, mit seinen 54 Jahren eher ein Twitter-Oldie, engagiert sich auch beim "Twittwoch", einem Treffen für Leute, die beruflich mit Twitter zu tun haben. Gestern fanden die ersten Treffen in Berlin, Hamburg, München und Köln statt.

Deutschsprachige Verlage und Buchhändler haben vor allem in den letzten drei Monaten Accounts eröffnet. Bisher führen etwa 30 Buchverlage einen eigenen Twitter-Auftritt, darunter Piper, Kiepenheuer & Witsch, Random House und O`Reilly. Bei den Buchhändlern sind neben Lehmanns Hugendubel und Weltbild mit dabei, daneben einige kleinere Händler. Beliebte Inhalte für die 140-Zeichen-Botschaften: Hinweise auf Neuerscheinungen, Autorenauftritte und Verkaufsaktionen, individuelle Buchempfehlungen, Branchennachrichten und Abstimmungen.

BoD lockt über Twitter Partygäste

Gezwitscher auch beim Buchdrucker Books on Demand (BoD): "Wir nutzen Twitter punktuell für Marketingkampagnen", sagt Marketingleiterin Britta Heer. So warb BoD über den eigenen Twitter-Account "Meet´n´Poke" für die deutschlandweit erste Poken-Party in Hamburg, die das Unternehmen Ende Mai veranstaltete. Poken ist ein Plastikanhänger, mit dem man seine Kontaktdaten austauschen kann. Halten die Besitzer die Anhänger aneinander, verknüpfen sie sich automatisch über  verschiedene soziale Netzwerke wie Xing oder Facebook. "Ich halte Twitter für einen unkomplizierten Kanal, um Informationen in einer sehr spitzen Zielgruppe schnell zu streuen", mein Heer.

Wen man bei Twitter erreicht, zeigt eine Umfrage unter 2 800 Nutzern, initiert von Blogger Thomas Pfeiffer. Demnach sind Twitter-Nutzer jung (32 Jahre), männlich (74 Prozent) und gebildet (78 Prozent haben Abitur). Zwei von drei betreiben einen eigenen Blog, jeder zweite stammt aus der Medien- oder Marketingbranche und jeder Vierte ist Führungskraft oder Unternehmer. Gemessen an der Gesamtzahl der Internetbenutzer ist die Twitter-Gemeinde jedoch winzig: Von allen Onlinern in Deutschland sind lediglich 0,1 Prozent bei Twitter aktiv. Je nach Schätzung gibt es hierzulande zwischen 25 000 und 100 000 Twitter-Accounts (weltweit: 25 Millionen). Und viele enden als Karteileichen: Nach einer Studie von Nielsen Research geben 60 Prozent der Twitter-Nutzer bereits nach einem Monat auf. Diese Rate ist relativ hoch, verglichen mit anderen sozialen Netzwerken wie Facebook und MySpace.

Twitter als Informationstool

Joachim Leser, Pressechef beim Zürcher Kleinverlag Kein & Aber, twittert seit Februar. Er sieht Twitter vor allem ein ausgezeichneter Informationsdienst für den eigenen Verlag. "Ich vernetze mich mit Leuten, die an ähnlichen Projekten arbeiten." Über das gemeinsame Thema E-Reader kam so ein Kontakt zum Leipziger Verlag Voland & Quist zustande. Ein Treffen in der richtigen Welt folgte. Momentan verbringt Leser etwa zehn Minuten am Tag mit dem Twittern. "Wichtig ist, dass die Person dahinter erkennbar ist, mit ihren Vorlieben und Interessen."

Verlagsberater Leander Wattig vergleicht Twitter mit einer Cocktailparty: Typen, die die ganze Zeit nur über sich selbst reden, langweilen. Deshalb rät er davon ab, Twitter nur als Kanal für Pressemitteilungen oder RSS-Feed zu nutzen. Twitter lebe von der Interaktion mit der eigenen Zielgruppe, vom Geben und Nehmen. Verlagen und Buchhändlern empfiehlt er, sich zumindest ihren Unternehmensnamen zu sichern und Erfahrungen zu sammeln, solange Twitter noch in der Experimentierphase ist. "Spätestens dann, wenn es jeder erwartet, muss man gut sein."

Über Twitter
Twitter ist ein kostenloser Kurznachrichtendienst im Internet, über den man Botschaften mit einer Maximallänge von 140 Zeichen versenden kann.