im Jahr 1989 wählte der Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels den tschechischen Autor Václav Havel zum Friedenspreisträger. Bei der Verleihung am Ende der Frankfurter Buchmesse blieb sein Stuhl in der Paulskirche leer. Ein Schild mit seinem Namen wies darauf hin, wer dort hätte sitzen sollen. Kurz nach seiner Entlassung aus der Haft hatte die damalige Regierung in Prag ein Reiseverbot für Václav Havel verhängt. Wäre er gekommen, er hätte nicht zurück gekonnt. Seine Rede wurde von Maximilian Schell verlesen, die Laudatio sprach André Glucksmann. In diesem Jahr kam es den Anwesenden in der Paulskirche so vor, als wäre sie noch voller als sonst, wo sie doch immer bis zum letzten Platz gefüllt ist.
Die Verleihung des Friedenspreises im Oktober 1989 war ein wichtiges politisches Signal, eine Demonstration für das Recht des freien Wortes, für Demokratie und Freiheit. Ins Zentrum dieses Protestes hat sich der damalige Bun-despräsident gestellt. Auf den Fotos der Ausstellung, die der Börsenverein an-lässlich des 60jährigen Jubiläums im Oktober zeigen wird, ist seine Präsenz unübersehbar, im Gespräch mit dem Bundeskanzler, mit dem Laudator, mit Maximilian Schell, gleich einer Mahnung an die Rechte des Menschen.
Seit Begründung des Friedenspreises im Jahr 1950 ist nicht von ungefähr der jeweilige Bundespräsident während seiner Amtszeit in der Regel steter Gast bei der Verleihung gewesen. Richard von Weizsäcker übertrifft dies. Wenn die Akten im Archiv nicht irren, lieber Herr von Weizsäcker, haben Sie bereits 1963 – vor 46 Jahren! – an der Verleihung des Friedenspreises teilgenommen. Ihr Bruder Professor Carl Friedrich von Weizsäcker hat ihn seinerzeit erhalten. Seitdem waren Sie bei fast jeder Verleihung unser Gast, auch und besonders in Ihrer Zeit als Bundespräsident, in der Sie 1984 die Laudatio für Octavio Paz und 1993 für Friedrich Schorlemmer übernommen haben.
Die beiden Friedenspreisverleihungen am Anfang und am Ende Ihrer Präsidentschaft bilden, wenn man so will, eine Klammer um Ihre Amtszeit. Sie öffnet sich durch ein Zitat aus Ihrer Laudatio an Octavio Paz: „Wer eigene Überzeugungen als Wahrheit absolut setzt und politisch instrumentalisiert, macht freies Zusammenleben von Menschen unmöglich.“ Sie schließt sich mit einem Zitat von 1993: „Versöhnung unter Menschen kann ohne Ringen um Wahrheit nicht gelingen. Aber Wahrheit wäre unmenschlich ohne das Ziel der Versöhnung. Die Richtenden – und das sind wir alle – mögen sich hüten vor neuer Ungerechtigkeit bei dem Versuch, endlich Gerechtigkeit herzustellen.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der heutigen Ehrung als „Förderer des Buches“ ehren wir die geistig unabhängige Persönlichkeit des großen Politikers, der sich die Sache des Buches zu Eigen gemacht hat.
Ich verlese die Urkunde:
In Anerkennung und Würdigung seiner herausragenden Verdienste für das Buch ehrt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels Bundespräsident a. D. Dr. Richard von Weizsäcker durch die Verleihung der Auszeichnung „Dem Förderer des Buches“.
In außergewöhnlicher Weise hat Richard von Weizsäcker die Entwicklung des Buches, des Börsenvereins, seiner Verleger und Buchhändler über Jahrzehnte hinweg begleitet. Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels hat er öffentlich gestärkt, in dem er als Laudator Octavio Paz und Friedrich Schorlemmer geehrt hat. Als Bundespräsident hat er die Schirmherrschaft für den Vorlesewettbewerb übernommen, der es Kindern möglich macht, durch Lesen einen leichteren Zugang zur Bildung zu finden.
Wer sich wie er für das Buch einsetzt – ein Gut, das auf elementare Bedürfnisse des Menschen antwortet und das unter den Medien der gewaltloseste Vermittler ist und bleibt, dem ist der Wert des Wortes und des geistigen Eigentums wichtig. Für die persönliche Förderung der Lebensbedingungen der Bücher verdanken die im Börsenverein zusammengeschlossenen Verleger und Buchhändler Richard von Weizsäcker sehr viel.
Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Der Vorsteher
Berlin, am 18. Juni 2009