Meinung

Vom Reiz überzeugender Online-Modelle

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Die Verlage müssen sich mit kreativen Angeboten der digitalen Herausforderung stellen. Von Eric Merkel-Sobotta, Springer Science + Business Media.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries sagte neulich in Berlin, der Schutz des geistigen Eigentums sei gerade für Deutschland so wichtig, weil kluge Ideen, Kreativität und Innovationen unsere wichtigsten Ressourcen seien. Nur wenn sie wirksam geschützt würden, amortisierten sich Investitionen. Das ist sehr richtig, und dafür brauchen wir auch in der digitalen Welt ein starkes Urheberrecht. Die digitale Technologie hat die Parameter der Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten verändert. Gerade im wissenschaftlichen Verlagswesen ist die digitale Publikation inzwischen die Regel und nicht mehr die Ausnahme.
Gleichzeitig müssen wir uns sehr bewusst sein, dass das Verlagswesen – wie die gesamte Medienbranche – sich mit den Möglichkeiten der digitalen Medien verändern muss. Dafür brauchen wir auch attraktive neue Geschäftsmodelle. Wenn es den Verwertern von urheberrechtlich geschützten Inhalten gelingt, ihren Kunden innovative Online-Angebote zu machen, dann sinkt das Risiko illegaler Nutzung. Für wissenschaftliche Publikationen gilt inzwischen: Inhalte müssen online zu finden sein. Und wenn Wissenschaftsverlage für Bibliotheken und ihre Leser überzeugende Online-Modelle entwickeln, dann wird sicherlich auch die Forderung nach Urheberrechtsschranken für diesen Bereich weniger dringlich.
Claudia Lux, Präsidentin des Weltverbandes der Bibliotheken, hatte recht, als sie im Börsenblatt im April von Verlagen attraktive und innovative Angebote für die digitale Welt einforderte. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen. Gute Erfahrungen machen wir bei Springer zum Beispiel mit E-Book-Paketen, die gerade auch von deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken sehr gut angenommen werden. Wir versuchen damit anzubieten, was Bildung und Wissenschaft in der Praxis brauchen: Wenn eine Bibliothek unsere E-Books kauft, erlauben wir unbegrenzten gleichzeitigen Zugriff, remote access innerhalb der jeweiligen Einrichtung und Kopien für die persönliche Nutzung der Leser.
Derart liberale Bedingungen sind aber im Rahmen einer Schrankenregelung wie dem Paragrafen 52b Urheberrechtsgesetz nicht möglich. Daher ist es wichtig, dass die tatsächliche Reichweite dieses Paragrafen zurzeit gerichtlich geklärt wird. Denn wenn von einer einzelnen Print-Ausgabe eines Werks im Bestand einer Bibliothek beliebig viele digitale Kopien zulässig wären, würde die Investition des Verlags in digitale Produkte infrage gestellt.
Es wird oft gefordert, das Urheberrecht solle »wissenschaftsfreundlich« sein. Das Urheberrecht kann aber nur Rahmenbedingungen schaffen – die wissenschaftliche Informa­tionsversorgung selbst wird seit Jahrhunderten von Wissenschaft, Autoren, Bibliotheken und Verlagen gemeinsam geleistet. Im Großen und Ganzen funktioniert das gut, und insbesondere mit der Verbreitung digitaler Medien ist der Zugang der Leser zu Informationen stetig besser geworden. Diese Möglichkeiten müssen wir weiter ausbauen, im konstruktiven Dialog mit unseren Lesern und den Bibliotheken.
Vielleicht könnten wir dann weniger Zeit mit der Diskussion von urheberrechtlichen Details verbringen – und stattdessen gemeinsam beim Gesetzgeber für die Senkung der Mehrwertsteuer auf digitale Publikationen ein­treten.