Buchtage Berlin 2009

"Die Digital Natives sind fürs Buch noch nicht verloren"

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
PoD, eBooks, Suchmaschinen oder digitale Bibliotheken: Die Digitalisierung hat die Buchbranche längst erreicht. Für die Branche noch bedeutender als die daraus folgenden strukturellen Veränderungen sind die neuen Mediennutzungsgewohnheiten der "Digital Natives", meint Urs Gasser. "Es ist Ihre Aufgabe, das Buch in der neuen Medienwelt zu situieren", sagte Gasser heute Vormittag bei den Buchtagen in Berlin.

Urs Gasser versichert noch vor Beginn seiner Keynote, dass er ein Freund des Buches sei - obwohl er sich mit den Digital Natives beschäftigt. Schließlich sei er Buchautor, habe eine ansehnliche Bibliothek zu Hause und schon als Kind die "TKKG"-Bücher gesammelt.

Sie lesen lieber Blogs als Zeitungen und sind selten in einer Bibliothek zu sehen, die Digital Natives, das Forschungsobjekt von Urs Gasser. Wie gehen sie mit dem Medium Buch um? Was bedeutet das Internet für die Generation, die ein Leben ohne Computer gar nicht mehr kennt? Diese Frage versuchte Gasser in Berlin zu beantworten. Fest steht: Digitalisierung und Internet führen zu strukturellen Veränderungen in der Herstellung, des Vertriebs des Zugangs und der Nutzung von Information, Wissen und Unterhaltung. Gasser nennt drei Trends: den Wegfall traditioneller "Gatekeeper", wie z.B. Zeitungsredaktionen, die Betonung von offenen Produktions- und Nutzungssystemen und die Bedeutung von kollaborativen Systemen (Stichwort Communities). 

Ob PoD, eBooks, Suchmaschinen oder digitale Bibliotheken: Diese Veränderungen erfassen auch den Buchbereich, der bei dieser Reise noch ganz am Anfang stehe, so Gasser. Für die Branche noch bedeutender als diese strukturellen Veränderungen sind laut Gasser die neuen Mediennutzungsgewohnheiten der Digital Natives. Die nach 1980 Geborenen, also die jungen Menschen, die sich ein Leben ohne Internet gar nicht vorstellen können, gehen mit Twitter, Facebook und Co. ganz selbstverständlich um.

Für die Buchwelt seien sie aber längst nicht verloren: Es stimme nicht, dass diese jungen Menschen keine zusammenhängenden Texte mehr lesen würden. "Digital Natives nutzen nutzen mehr Medien in der gleichen Zeit ", sagt Gasser. Allerdings gebe es auch Probleme: Ein relativ schlecht ausgebildeter Qualitätssinn paare sich mit dem Problem der Informationsüberlastung. Zudem werde die Identität "klebrig", weil das ganze Leben im Internet auf Dauer dokumentiert werde.

Gassers Appell an die Branchenteilnehmer: "Es ist Ihre Aufgabe, das Buch in der neuen Medienwelt zu situieren".

Urs Gasser ist Autor bzw. Herausgeber von sechs Büchern und über 60 Fachartikeln. Er ist Mitautor des zusammen mit John Palfrey verfassten Buchs „Born Digital: Understanding the First Generation of Digital Natives” (Basic Books, New York 2008), das in 10 Sprachen übersetzt wird (u.a. in chinesische und russische Sprache). Die deutsche Fassung ist unter dem Titel „Generation Internet. Die Digital Natives – Wie sie leben. Was sie denken. Wie sie arbeiten“ erhältlich (Hanser Verlag, München 2008).

Die Thesen von Urs Gasser zum Download: