Bis zum 20. April waren auszubildende Buchhändler und Medienkaufleute, Volontäre, Berufseinsteiger der Buchbranche und Studierende der branchennahen Studiengänge eingeladen, sich mit einem einseitigen Essay zum Thema "Neue Bücher, Neue Wege, Neue Jobs! – Wie verändert sich meine Arbeitswelt?" für die Teilnahme am Nachwuchsprogramm zu qualifizieren. Offensichtlich war, was die Organisatoren in diesen Essays lesen wollten: Desktop Publishing, pdf, mobile Lesegeräte, Downloadstationen, crossmediale Verwertung, ContentManagement, Urheberrechtsfragen etc. Die digitale Welt und die Teilnahme des Buchhandels daran war dann auch nicht nur das vorrangige Thema der Vorträge, die am Donnerstagmorgen auf dem Fachkongress zu hören waren, auch am Nachmittag war „Die Branche der Zukunft“, so der Leitsatz der diesjährigen Buchtage, Kern der Diskussion im Nachwuchsparlament. Aber nicht alle diskutierten: Sechs junge Buchmenschen, die sich für das neu geschaffene Amt des Nachwuchssprechers/der -sprecherin beworben hatten, diskutierten auf der Bühne und über 100 selbige saßen im Publikum, um aufmerksam den Aussagen zu lauschen – die spätere Wahlentscheidung sollte ja begründet sein. Die junge Sprecherposition ist nach dem ersten Nachwuchsparlament im letzten Jahr ein Novum in 2009 und berechtigt zur Teilnahme am Berufsbildungsausschuss des Börsenvereins, der zweimal im Jahr zusammenkommt. Die sechs Bewerber spiegelten die Zusammensetzung des gesamten Nachwuchsparlamentes wider und zeigten auf, dass die Ausbildungswege in der Buchbranche vielfältig sind. So unterschiedlich die Ausbildungswege, so unterschiedlich auch die Fragen, Sorgen und Bedürfnisse der Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Der Fokus der Diskussion lag dann auch auf dem größten gemeinsamen Nenner, nämlich der sich verändernden Arbeitswelt und deren Anforderungen: sich digital auskennen müssen, Dienstleistung lernen, Nebenmärkte stärken ohne das Buch aus dem Blick zu verlieren, Informationen ohne Blick auf das Trägermedium anbieten und verkaufen. Auch Ausbildungsfragen kamen auf den Tisch, so wurde klar, dass die Berufsschulen den Buchhändlernachwuchs nicht gut genug auf den digitalen Alltag vorbereitet. Kurzum: Die Diskussion auf dem Podium war lebendig und interessant, alle Bewerber konnten zeigen, dass sie das sind, was sich die Branche wünscht: intelligente junge Leute, voll orientiert über die Entwicklungen und aktuellen Fragen der Branche, engagiert, motiviert und mit großer Lust an der Arbeit am und mit dem Buch.
Podiumsdiskussion statt Parlament
Die Form der Veranstaltung warf aber Fragen auf: Warum wurde nur auf der Bühne diskutiert? Unter einem Parlament verstehe ich eine Versammlung, in der Themen gesammelt und auf die Tagesordnung gesetzt werden, dazu dann Wortbeiträge zu hören sind und man sich am Ende auf Aussagen einigt, die alle vertreten können. Und Empfehlungen an die Branche waren ein ausdrücklicher Wunsch, der an das Nachwuchsparlament gerichtet wurde. Katharina Scholz, Berufseinsteigerin bei Random House, die als Nachwuchssprecherin aus der geheimen Wahl hervorging, gab in der Hauptversammlung des Börsenvereins am Freitag dann auch die Empfehlungen bekannt: die Branche solle die generationenübergreifende Zusammenarbeit als Chance verstehen und das Nachwuchsparlament als ständiges Element der Nach¬wuchsarbeit etablieren, ebenso solle sie als Nachwuchssprecherin in die Arbeit des Berufsbildungsausschusses auf Bundesebene einbezogen werden. Entschuldigung, aber war das nicht vorher schon klar? Mit wem wurden diese Empfehlungen eigentlich abgesprochen, sicher nicht mit dem Nachwuchsparlament. Wo blieb denn z.B. die ausgesprochene Kritik an der Berufsschularbeit? Das Nachwuchsparlament war eben kein Parlament im eigentlichen Sinne, sondern eine Podiumsdiskussion von sechs Leuten, bei der über 100 nur zuhörten und durch eine Reihenbestuhlung statt einer parlamentarischen Sitzordnung zu Nebendarstellern degradiert wurden. Sicher, aktive Einmischung in die Diskussion über ein Publikumsmikrofon war möglich, dies wurde auch einige Male genutzt. Die Kürze des Nachmittags, die nächsten Programmpunkte wie die AKEP Junior Award-Verleihung und die geplanten Exkursionen für die Nachwüchsler drängten im Zeitplan. So konnte keine lebhafte Diskussion aufkommen. In den letzten Minuten wurde dann noch schnell in die Runde gefragt, ob es weitere Themen gäbe, die hier erörtert werden sollten? Ja, dachte ich, aber ich meldete mich nicht. Warum? Das auf uns Studierende fokussierte Thema, was mir wichtig ist, hätte nicht den Zeitrahmen bekommen, den es verdient hat.
Erste Schritte erfordern auch zweite
Meine Empfehlung ist, in der Vorbereitung zum Nachwuchsparlament des nächsten Jahres darauf zu achten, dass die verschiedenen Perspektiven der unterschiedlichen Ausbildungsgruppen Platz haben. Vielleicht gäbe es die Möglichkeit, die Gruppen erst miteinander über ihre Sorgen, Probleme und Fragen sprechen zu lassen, um dann mit den Ergebnissen ins Parlament zu gehen und über die einzelnen Wünsche zu diskutieren. Erst dann würde die Veranstaltung auch dem Ausbildungshintergrund aller gerecht werden und die Empfehlungen an die Hauptversammlung könnten konkreter ausfallen als in diesem Jahr.
Der Börsenverein hat erste Schritte zur Investition in den Nachwuchs gemacht: Die Buchtage Berlin mit dem Nachwuchsparlament, der Möglichkeit zur Teilnahme am Fachkongress, den Workshops und der Möglichkeit des Kennenlernens von Berliner Buchbetrieben. Das alles inklusive der Bahnfahrt, dem Hotel und dem Besuch der Berliner Büchernacht plus Party erforderte für 110 Teilnehmer ein großes Budget, wie die Bildungsdirektorin des Börsenvereins, Monika Kolb-Klausch, betonte. Dafür und für die gewonnenen Erfahrungen bin ich dankbar und beglückwünsche allen voran Karin Schmidt-Friedrichs, Verlegerin und Vorsitzende des Berufsbildungsausschusses, die die Idee von Nachwuchsparlament und -sprecher durchgesetzt hat. Nun gilt es zuzuhören, was wir als Branchennachwuchs, gleich welchen Ausbildungsweg wir gehen, zu sagen haben und daraus konkrete Arbeitsaufgaben für den Berufsbildungsausschuss abzuleiten. Deshalb kann ich allen jungen Buchmenschen nur sagen: Stellt Forderungen! Nehmt die Angebote an und mischt Euch mit Mails an Katharina Scholz, Karin Schmidt-Friedrichs, Monika Kolb-Klausch und Alexander Skipis ein: Sie alle haben betont, jederzeit und für alle Ansprechpartner zu sein und man solle sich bitte jederzeit einbringen. Gern! Hiermit geschehen.