Man hat das Gefühl, dass einige Verlage digitale Inhalte am liebsten vermarkten würden, ohne sie verbreiten zu müssen. Denn jede Verbreitung kann zu Missbrauch führen. Und geradezu reflexhaft wird unerlaubte Nutzung verfolgt oder erschwert.
Dabei ist wohl jeder Verleger einmal mit dem lobenswerten Ziel angetreten, wichtige Inhalte möglichst weit zu verbreiten. Es muss diesem Verleger doch ein ungutes Gefühl geben, wenn er feststellt, dass er nun fast mehr Sorge dafür trägt, die Verbreitung seiner Inhalte zu verhindern, als diese zu fördern.
Dieser Verleger sollte folgende Thesen überdenken:
Die ungeregelte Verbreitung elektronischer Dokumente juristisch verhindern zu wollen ist offensichtlich aussichtslos.
DRM ist nutzerunfreundlich und als Konzept vermutlich schon gescheitert (siehe Musikindustrie).
Grundsätzlich ist jede Restrik-tion des Teilens von Wissen gerade für eine Gesellschaft problematisch, die vom Wissen abhängt.
Verlage werden nicht gegen die neuen Marktbedingungen Geld verdienen, sondern nur mit ihnen.
Unter neuen Bedingungen müssen Verleger neue Lösungen finden, das ist ihre Kernaufgabe. Wenn eine original PDF-Datei nicht mehr wert sein kann als ihre Kopie, dann muss sie eben in eine Umgebung gesetzt werden, die den Nutzer begeistert, etwa weil diese seinen Workflow perfekt unterstützt. Dann wird klar, dass ein Verzeichnis voll isolierter Downloads nur ein Haufen Restmüll ist, der auf der Festplatte herumgammelt. Verlage können solche erstaunlichen neuen Nutzerumgebungen entwickeln, und einige tun dies bereits. Damit erreichen sie Schutz durch Innovation, statt durch Gesetze und DRM.
Aber soll man denn die unerlaubte Verbreitung von Inhalten gar nicht verfolgen? Ich meine: nein. Man sollte jede gängige Verbreitungsform nicht nur dulden, sondern möglichst legalisieren und fördern.
Diese Lösung klingt radikal, ist aber marktkonform. Denn die kostenlose Verbreitung von Inhalten – und darum geht es eigentlich – findet ja ohnehin massenhaft statt und ist sowohl für Nutzer als auch für Anbieter offensichtlich sinnvoll.
Es macht dagegen keinen Sinn, auf Informationsschätzen zu hocken, wenn ringsum immer mehr Information produziert und kostenlos angeboten wird. Vielleicht nicht so gut, vielleicht nicht so umfassend und nicht so verlässlich – aber doch ausreichend für viele Nutzer.
Ich glaube, dass gerade im Markt der digitalen Produkte genauer unterschieden werden muss zwischen dem ideellen Wert eines Inhalts und seinem wirtschaftlichen Wert. Der ideelle Wert mag noch so hoch sein, nur wenn er verwertet wird, manifestiert sich auch der kommerzielle Wert.
Stellen Sie sich einen Bauern vor, der es gewohnt war, einen Sack Kartoffeln für zehn Euro zu verkaufen. Plötzlich stürzen die Preise ab, weil ausländische Bauern den Markt überschwemmen. Der Bauer sagt sich: »Das sitze ich aus!« Nach einem Jahr geht er in den Keller und stellt fest, dass seine Kartoffeln verfault sind. Hätte er damals mal besser einen Reibekuchenstand aufgemacht.
Natürlich ist es einfach, einen solchen Appell zu formulieren und schwierig, in der Praxis Entscheidungen zu fällen, die erfolgreich sind oder wenigstens keinen Schaden anrichten. Kein Verleger kann einfach losstürmen. Das ist sicher richtig.
Sicher richtig ist aber auch, dass man der dramatischen Veränderung des Marktes mit ängstlichen Schritten nicht lange wird folgen können