Weinführer

Ärger um den Gault Millau: "Ein Sturm im Weinglas?"

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
14 deutsche Top-Winzer haben dem renommierten Weinführer die Zusammenarbeit aufgekündigt. Clemens Hahn, im Christian Verlag Programmleiter des Gault Millau, sieht den Boykott-Aufruf eher gelassen.

Müssen die deutschen Winzer jetzt wirklich „Eintrittsgeld“ für den Gault Millau bezahlen? Und: Ist das in der Weinwelt überhaupt so unüblich?

Hahn: Nein, unüblich ist das ganz und gar nicht: Nehmen Sie Wettbewerbe wie die DLG-Bundesweinprämierung, da zahlen die Winzer über 100 Euro für jeden einzelnen der eingereichten Weine. Aber um mit diesem Missverständnis gleich aufzuräumen: Wir verlangen gar keine Anstellgebühr, sondern haben vor vier Wochen alle Winzer aus dem Gault Millau angeschrieben, um bei ihnen für einen freiwilligen Beitrag von 195 Euro pro Ausgabe zu werben. Wer mitmacht, bekommt klar definierte Gegenleistungen: So sind mit dieser Gebühr unter anderem die Nutzung des Gault Millau-Logos oder die Wiedergabe des Gault-Millau-Eintrags auf der Webseite und in der Preisliste des Weingutes abgegolten. Bislang bewegten sich viele Winzer hier urheberrechtlich in einer Grauzone – um es vorsichtig auszudrücken.

Was ändert sich für die, die diese 195 Euro nicht zahlen wollen?

Hahn: Gar nichts. Die Aufnahme von Weingütern und deren Bewertung im Gault Millau WeinGuide ist völlig unabhängig von der Buchung des offerierten Marketingpakets.

Warum sind die Winzer dann so vergrätzt?

Hahn: Nun, es sind nicht „die Winzer“, es ist eine kleine Gruppe. Wir haben sicher versäumt, in unserem Schreiben ganz deutlich darauf hinzuweisen, dass die Gebühr eben kein „Eintrittsgeld“ zum Gault Millau ist. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Hätten wir es so explizit noch einmal hervorgehoben, wäre der „Sturm im Weinglas“ vielleicht ausgeblieben.

In manchen Internet-Blogs wird spekuliert, dass die Kritik der 14 Top-Winzer weniger dem Gault Millau und seinem Verlag gilt, sondern eher der jahrelangen Doppelrolle von Herausgeber Armin Diel, selbst Winzer und zudem noch Weinbaufunktionär beim Verband der Prädikatsweingüter…

Hahn: Das sind Spekulationen, an denen kann und will ich mich nicht beteiligen.

Hat der Gault Millau die Finanzspritze von 195 Euro pro Winzer nötig, wenn er dafür solchen Ärger in Kauf nimmt?

Hahn: Sagen wir so: Wir verkaufen den Weinführer für Deutschland erfolgreich – aber der Aufwand ist dem Erfolg davon gelaufen. Die Auflage liegt bei 25.000 Exemplaren, 80 bis 85 Prozent davon verkaufen wir. Natürlich müssen wir überlegen, wie wir den Weinführer wirtschaftlich gestalten.

Was macht die Produktion so aufwendig?

Hahn: Wir liefern 870 Seiten knackvoll mit Daten rund um den deutschen Wein. 1.000 Weingüter und weit mehr als 10.000 Weine werden pro Jahr begutachtet, 20 Verkoster sind für uns unterwegs, machen untereinander Gegenproben, dann regionale und schließlich Bundesfinalproben, damit die Bewertung eben weit mehr als nur eine Frage des persönlichen Geschmacks eines Einzelnen ist. Hinzu kommen die vielen Daten und Fakten, die wir zu den Weingütern zusammentragen.

Ist der Weinfreund nicht bereit, für diese Informationsdichte auch entsprechend zu zahlen?

Hahn: Der Gault Millau kostet inzwischen 29,90 Euro – und damit ist eine Schmerzgrenze beim Kunden erreicht. Die Winzer wiederum werben sehr gern mit ihrer guten Bewertung im Gault Millau, profitieren davon. Warum sollten sie für ein Mehr an Leistung nicht auch etwas bezahlen, wenn die Neutralität bei der Bewertung garantiert ist – und ihr Beitrag freiwillig bleibt?

Geht es den Winzern vielleicht darum, den Anfängen zu wehren?

Hahn: Von vielen Winzern haben wir sehr positive Resonanz bekommen. Und die Winzer, die jetzt ihren Unmut geäußert haben, haben ein klärendes Schreiben von uns erhalten. Wir sind zuversichtlich, sie in den nächsten Tagen wieder zurück ins Boot holen. Von einer „Kriegserklärung“, wie es manche Medien suggerieren, kann jedenfalls aus unserer Sicht keine Rede sein.