Kommentar

Bestseller: Abhängig und frei

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Es reicht nicht mehr, ein Buch nur auf die Bestsellerliste zu bringen. Es muss ganz nach vorn. Warum die Verlage gezwungen sind, mehr denn je ins Spitzentitelmarketing zu investieren. Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteur Holger Heimann.

Tellkamp hat Suhrkamp die Bilanz­ gerettet, Andrea Maria Schenkel die Edition Nautilus zum reichen kleinen Verlag gemacht. Mit den Biss-Büchern der Stephenie Meyer kann Carlsen mit Blick auf die Verkaufszahlen gerade "Harry Potter"-Gefühle re­animieren. Spitzentitel allesamt, nicht unbedingt der Qualität, aber dem Rang auf der Bestsellerliste nach. Ganz oben nämlich. Und dahin muss ein Buch es schaffen, um zum echten Verkaufshit zu werden, dann aber fliegen die Euro-Scheine nur so in die Kasse.

Dass mit 20 Prozent der Titel 80 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet werden, gilt längst als gängige Formel. Neu ist, dass die Abhängigkeit von der Spitze immer größer wird. Platz 20 auf der Bestsellerliste genügt nicht mehr. Man muss aufs Treppchen. In der Belletristik werden mit fünf Prozent der Titel 90 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet, schätzen Branchenexperten.

Es ist unerheblich, ob einem das gefällt oder nicht. Ein Verlag, der mit seinem Programm auf ein breites Publikum abzielt, muss nicht nur mitmachen bei der Konzentration auf Spitzentitel. Er muss besser werden darin, den Erfolg gewissermaßen erzwingen – durch noch ausgeklügeltere Marketingkonzepte, noch präzisere Planung.
Aber paradoxerweise ist es gerade die Abhängigkeit, die Freiräume öffnen kann. Der Erfolg schafft Möglichkeiten. Und wen er nicht  blind und überheblich macht, der wird als kluger Unternehmer das Ganze im Blick behalten und fördern. Denn nur Spitzentitel allein machen kein Programm und keinen profilierten Verlag.