Was macht ein gutes Kunstbuch für Kinder aus?
Brehm: Wichtig ist, dass es in erster Linie von dem ausgeht, was ein Kind interessiert – und nicht primär von der Kunst und ihrer Bedeutung. Vor allem jüngere Kinder entdecken die Welt der Bilder sehr assoziativ, sind noch nicht in einem systematischen Lernprozess gefangen. Von ihrem ganz unbefangenen Umgang mit der Kunst können sich Erwachsene einiges abschauen.
Würden Sie den deutschen Kunst-Kinderbüchern ein gutes Zeugnis ausstellen?
Brehm: Einige sind sehr witzig, einige sehr bemüht. Es gibt auch welche, die ich persönlich ganz toll finde. Aber ehrlich gesagt: Ich bin Jahrgang 1957 – mein Urteil ist in diesem Zusammenhang vollkommen uninteressant. Wenn Kinder sagen: Das ist schön, dann ist es schön. Sie sollen es lesen, sich darüber für die Kunst begeistern. Und wenn ich Verlagen einen kleinen Tipp geben darf: Lassen Sie die Bücher nicht nur von den Kindern Ihrer gut gebildeten Lektoren gegenlesen, sondern auch von Kindern in irgendeiner Stadtteilbücherei. Denn klar ist: Wer über Kunst für Kinder redet, der redet von einer ganz bestimmten sozialen Schicht. Dabei kann die Begegnung mit Kunst für alle eine Horizonterweiterung sein. Ich erlebe das immer wieder bei Migranten-Kindern, die nicht so gut deutsch sprechen: Über die Welt der Bilder können sie mit anderen kommunizieren.
Macht es pädagogisch betrachtet überhaupt Sinn, ein Kunstbuch zu kaufen? Oder würden Sie Eltern eher raten: Geht mit Euren Kindern lieber gleich ins Museum...
Brehm: Das kommt auf das Kind an. Es gibt durchaus Kinder, die sich die Welt und damit auch die Kunst über das Medium Buch erschließen. Dass parallel dazu ein Museumsbesuch Sinn macht, ist ja klar. Dort kann ich nur raten: Den Audioguide auslassen und mit den Kindern gemeinsam über die Bilder reden, einfach einen schönen Nachmittag mit der Kunst verbringen. Und auch zuhause nicht Schule spielen, sondern den Spaßfaktor in den Mittelpunkt stellen. Bücher, die man aus pädagogischen Gründen lesen soll, verstauben in der Regel im Regal. Das ist bei Kindern nicht anders als bei Erwachsenen.
Wie versuchen Ihre Museumspädagogen, die Kinder bei der Stange zu halten?
Brehm: Das hängt sehr vom Alter ab. Man muss auch nicht immer das ganz große Rad drehen, vor allem kleinere Kinder bis zur zweiten Grundschulklasse sind schon mit einer ganz gewöhnlichen Bildbetrachtung zu begeistern. Beispielsweise wenn man fragt, was man auf den Bildern „hören“ kann. Grundschüler befassen sich dann ohne größere Konzentrationsprobleme 20 Minuten lang mit einem Gemälde.
Die meisten Kunstbücher für Kinder sind den Klassikern gewidmet – etwa dem blauen Reiter oder van Gogh. Lässt sich auch zeitgenössische oder abstrakte Kunst vermitteln?
Brehm: Unbedingt. Kluge Begründungen brauchen nur Erwachsene. Kinder gehen sehr intuitiv an Bilder heran, abstrahieren, wo Gegenständliches zu sehen ist – und sehen Gegenständliches, wo abstrakt gemalt wurde.
Immer mehr Museen organisieren Kindergeburtstage, bieten Ferienspiele an. Kann man von einem Boom der Museumspädagogik in Deutschland sprechen?
Brehm: Das öffentliche und politische Interesse an unserer Arbeit ist sicher so groß wie nie. Aber wenn es um Etatansätze und neue Stellen geht, sieht die Sache wieder anders aus. Die Wissenschaft hat klaren Vorrang vor der Vermittlung, auch bei Auswahl und Aufbereitung der Themen. Wir kommen immer erst ins Spiel, wenn die restliche Arbeit getan ist. Schade, denn letztlich ist ja jede einzelne Ausstellung eine Form von Vermittlung.
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