1951 teilte die Staatsrechtlerin ihrem Mann mit, sie habe ihr erstes Gedicht geschrieben. Der Kunsthistoriker hielt davon gar nichts, wollte er doch selbst gern in schriftstellerischen Bahnen wandeln. Es dauerte lange, bis er die poetische Kraft seiner Frau akzeptierte – und fortan nur noch wissenschaftlich publizierte.
Es war überhaupt eine schwierige Beziehung, die die 1909 als Hilde Löwenstein geborene Dichterin mit dem Bonvivant lebte. Der bei S. Fischer erschienene Band »Die Liebe im Exil« (384 S., 19,90 Euro), der Domins Briefe von 1931 bis 1959 versammelt, offenbart Domins wilde Entschlossenheit, sich auf diesen zögerlichen Mann einzulassen. Durch die kenntnisreichen Vorworte der Herausgeber werden die Zwischenzeiten skizziert, in denen das Paar zusammenlebte – und keine Briefe schrieb.
Sehr genau analysiert auch Marion Tauschwitz in ihrer bei Palmyra herausgekommenen Biografie »Dass ich sein kann, wie ich bin« (576 S., 28 Euro) die komplizierte Beziehung des Paars. Sie zeigt die Wurzeln der Kölner Bürgerstochter: Ihren Eltern wurde durch die NS-Diktatur der Boden unter den Füßen entrissen, die Flucht nach Großbritannien gelang in letzter Minute. Domin flüchtete von Italien aus in die Dominikanische Republik, und kehrte nach 22 Jahren im Exil erst 1954 nach Deutschland zurück. Tauschwitz war Domins engste Mitarbeiterin in deren letzten Lebensjahren und kann daher mit vielen Details aufwarten. Auf intensiven Gesprächen mit der Dichterin basiert auch Ilka Scheidgens Biografie »Hilde Domin« (Kaufmann, 248 S., 19,95 Euro), die Leben und Werk verknüpft und auf Domins literarische wie politische Haltung eingeht. Erinnerungen an die Autorin bietet der Band »Unerhört nah« (220 S., 14,90 Euro) im Kurpfälzischen Verlag.
Domins 100. Geburtstag ist ein idealer Anlass, ihre gehaltvolle Lyrik wiederzuentdecken. Im Juni sind bei S. Fischer »Sämtliche Gedichte« (352 S., 16 Euro) erschienen, Präsenz legt einen dritten Auswahlband mit Aquarellen von Andreas Felger vor (»Im Vorbeigehn«, 64 S., 14,90 Euro). Trotz aller Widrigkeiten hält Domin den Glauben an das Gute hoch – weshalb sie gern als Dichterin des Dennoch bezeichnet wird. So kommt es nicht von ungefähr, dass Vera-Sabine Winkler in »Leise Bekenntnisse« (Grünewald, 448 S., 39,90 Euro) die Bedeutung der Poesie für die Sprache der Liturgie am Beispiel Domins untersucht.
Für Kinder hält das Jubiläum eine wundervoll illustrierte Geschichte bereit (»Die Insel, der Kater und der Mond auf dem Rücken«, S. Fischer, 64 S., 12,95 Euro), in der Domin erzählt, wie sie einen einohrigen Kater verteidigt und liebgewinnt.