Hausmittel gegen Piraterie: viele, viele E-Books

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Die alte Regel, dass der beste Produkttest das direkte Gespräch mit dem Kunden ist, gilt im Internet-Zeitalter mehr denn je: Vor einigen Wochen habe ich einen E-Book-Reader an einen Bekannten weiter gegeben, der das Leseverhalten testen wollte. Gestern erreichte mich dann eine frustrierte E-Mail, dass mein Bekannter auf dem Weg in den Urlaub sei und sich noch schnell mehrere Romane von Martin Walser auf sein Lesegerät laden wollte – aber keinen einzigen auf libreka! gefunden habe. Natürlich hat er viele interessante E-Books zu Martin Walser gefunden: Biografien, Aufsätze, Briefe und die Friedenspreisbroschüre. Aber eben keinen einzigen Roman!
Eigentlich nicht verwunderlich, denn von Martin Walser wurde noch kein einziges E-Book veröffentlicht. Schade, könnte ich sagen und meinem Bekannten empfehlen, doch einen anderen Autor zu lesen. Doch wird eine solche Antwort einen Kunden zufrieden stellen. Auch wenn bei libreka! mittlerweile eine ganze Reihe von E-Books bekannter Autoren wie Bodo Kirchhoff, Thomas von Steinaecker, Stieg Larsson oder Richard David Precht zu finden sind.

Ein Leser ist nun einmal ein anspruchsvolles Wesen: Wer Walser sucht, will auch Walser lesen. Und genau darin besteht eine gewaltige und von den meisten Verlagen massiv unterschätze Gefahr: Wenn der Kunde Walser sucht, wird er ihn auch als E-Book finden! Wenn schon nicht auf libreka! oder anderen legalen Plattformen, dann eben auf Tauschbörsen oder Download-Sites.

Im Selbstversuch durchgeführt sieht das ungefähr so aus:
Eine Google-Suche nach Martin Walser und dem beliebten Filesharing-Dienst BitTorrent ergibt nahezu 3.000 Treffer. Die Installation einer entsprechenden Download-Software dauert dank ausführlicher Anleitung auf Wikipedia keine 15 Minuten. Und schon geht los mit einem fast vollständigen Angebot. Noch einfacher geht es auf Websites wie ebook30.com. Dort finde ich zwar nicht die aktuellsten Walser Romane, kann aber Werke wie ,Augenblick der Liebe’ oder ,Ein fliehendes Pferd’ sofort, kostenfrei und ohne weitere Software-Installation herunterladen.

Was heißt das nun für Verlage: Jedes Buch, das nicht auch als E-Book veröffentlicht wird, stellt eine erhebliche Gefahr für das zukünftige Umsatzpotenzial des Verlages dar. Dabei ist der entgangene Umsatz (E-Book wird illegal herunter geladen anstatt gekauft) nur der kleinste Teil des Verlustes. Vielmehr gewöhnt sich der Kunde an die Situation, dass er auf illegalen Tauschbörsen ein wesentlich besseres, umfangreiches Angebot vorfindet – und dies noch kostenfrei.

Auch hier zeigt sich wieder, dass das Ignorieren/Wegdiskutieren/Vermeiden des Trends zu E-Books eher das gegenteilige Ergebnis erzielt: Piraterie wird gefördert, die zukünftige Umsatzerosion durch Raubkopien wird verstärkt. Dabei ist die Lernkurve des Internet-Nutzers nicht einmal besonders steil: Man könnte sogar argumentieren, dass das Raubkopieren von Musik bereits gelerntes Verhalten ist. Aber das vielfältige Kundenfeedback auf libreka! zeigt vor allem eins: die Kunden wünschen sich ein einfaches und vollständiges Angebot. Es ist eben nicht vermittelbar, dass Martin Walser fehlt, Bodo Kirchhoff aber fast vollständig vertreten ist. Das würde in keiner noch so kleinen Stadtteilbuchhandlung passieren. Genauso wie Verlage versuchen, in allen physischen Distributionskanälen möglichst vollständig vertreten zu sein, sollten sie dies umso mehr für die elektronischen Kanäle anstreben. Denn anders als in der Welt des gedruckten Buches warten auf jedes nicht veröffentlichte E-Book Dutzende, Hunderte, ja sogar Tausende illegaler Kopien in Tauschbörsen.

Als ,Hausmittel’ für Verlage ließe sich formulieren: das gesamte Programm – Bestseller wie Backlist – möglichst schnell und komplett als E-Books anbieten. Und zu vernünftigen Preisen (hierzu mehr im kommenden Blog-Beitrag).

Ich freue mich auf die Diskussion mit Ihnen
Ihr Ronald Schild