Kommentar

Druck im Kessel

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
LKA-Beamte haben bei Durchsuchungen in Cottbus Fachbücher sichergestellt, die vermutlich illegale Nachdrucke sind. Der Fall Cottbus habe fast etwas Nostalgisches, meint Börsenblatt-Redakteurin Sabine Cronau in ihrem Kommentar. 

Es gibt sie wirklich: Menschen, die ein Portemonnaie auf der Straße finden und zum Besitzer zurückbringen. Und Kunden, die sich mit einem Buchschnäppchen aus dem Online-Shop an den Verlag wenden – weil sie das Gefühl haben, kein Original in den Händen zu halten.

Durch einen solchen Tipp konnten Beamte des Landeskriminalamts von Brandenburg jetzt eine mutmaßliche Raubkopierer-Werkstatt in Cottbus ausheben. Was für die Branche gleich zwei gute Nachrichten mit sich bringt. Die erste: Nicht jeder ist scharf darauf, Geld zu sparen, wenn dadurch andere geschädigt werden. Die zweite: Auch im E-Book-Zeitalter scheint es sich noch zu lohnen, Kopien anzufertigen, die nicht auf einen Datenträger passen. Der Fall Cottbus bekommt da fast etwas Nostalgisches, gerade wenn es ums Fachbuch geht.

Früher waren die Tapeziertische mit Raubkopien Legion: Überall an deutschen Universitäten wur-den sie Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre angeboten, die billigen, schlecht gebundenen Lehrbücher und Bestseller-Imitate von Ecos »Der Name der Rose«, von Süs-kinds »Parfum«. Von oben mal mehr, mal weniger toleriert. Dass die geschädigten Verlage jetzt in Cottbus Anzeige erstatten – und die Polizei 90 Kisten und mehrere Tausend Gigabyte elektronische Daten beschlagnahmt, dürfte auch mit dem Thema Internet­piraterie zusammenhängen: Der Druck im Kessel steigt. Und: Mancher Kunstbuchverlag, der in Fernost unter englischsprachigen Billigkopien leidet, wird sich wünschen, das LKA Brandenburg wäre auch dort zur Stelle.