Das Hörbuch im Kampf der Moderne

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Die Geschichte des Hörbuchs im Vergleich zur Mediengeschichte allgemein ist noch relativ jung, dafür aber von Individualismusbestrebungen, technischen Umstrukturierungen und vor allem von Kämpfen gegen das Hauptmedium Buch, im Sinne der Differentialisierung, geprägt. Die Geschichte des Hörbuchs beginnt bereits im 19. Jahrhundert.

Wissenschaftlicher Forscherdrang von unter anderem Edison, Berliner und Co. sorgten dafür, dass, bevor Fernsehen und Internet die dominierenden Weltmedien werden sollten, das Hörbuch, beziehungsweise dessen Vorformen, für die noch eher dünn gestreuten Möglichkeiten zur Unterhaltung der Menschen zuständig war. Auch wenn die anfängliche Funktion des Hörbuchs eher die der Erinnerungsaufzeichnung bzw. Gedächtnisstütze war oder das Hörbuch eher als kleiner Burder des gedruckten Buches galt, entwickelte es sich dennoch zu einem eigenständigen Medium.

Die vier treffbaren Gattungsbegriffe Lesung, Hörspiel, Feature und Dokumentation lassen  die große Bandbreite erahnen, die das Hörbuch zu bieten hat. Das Hörbuch an sich ist mittlerweile eben mehr als eine bloße Lesung oder Unterhaltung für langweilige Autofahrten. Einerseits ging das Hörbuch den Weg der praktischen Realisierung aller Arten und Formen von Verwertung, wie etwa das Hörbuch als „Soap“, das Hörbuch zum Buch und zum Film, wie etwa bei Effi Briest und vergleichbaren anderen Titeln, andererseits stellte es sich der Zukunft, in dem es dem technischen Weg der Hörbranche, was etwa Musik miteinschließt, mitgegangen ist und als Download den modernen Ansprüchen der neuen User-Generation entspricht.

Aber auch die technischen Möglichkeiten, wie etwa das unter anderem in Erlangen entwickelte MP3-Format und die Organisation vieler Hörbuchtitel im Internet in verschiedenen Downloadportalen,  zeigen einerseits die Flexibilität dieses Mediums und andererseits, dass das Hörbuch eben keine angestaubte Kinderkassette oder Blindenunterhaltung allein war und blieb, sondern den modernen Weg der Medienentwicklung  bis jetzt problemlos gegangen ist. Der Erfolg des Hörbuchs spricht für sich, denn mittlerweile gibt es zahlreiche Preise und Bewertungsinstanzen, die dem potentiellen Kunden das gehörte Buch näher bringen wollen. Etwa die Hörbuch- Bestenliste, die in Kooperation zwischen Börsenblatt und dem hr2 monatlich veröffentlicht wird und als Rezensionsinstanz für neu erschienene Hörbücher angesehen werden kann. Zusätzlich wird seit mittlerweile sieben Jahren aus diesen Listen noch das Hörbuch und das Kinder- und Jugendhörbuch des Jahres von einer kompetenten Jury gewählt.

Eine der aktuellsten Meldungen in Bezug auf das Hörbuch ist der geplante verminderte Mehrwertsteuersatz, da das Hörbuch durch seine Vielfältigkeit und Kreativität ebenfalls wie das gedruckte Buch als Kulturgut gelten soll. Das Problem liegt dabei an uns, denn Deutschland will in dem von der EU geplanten Antrag nicht mitspielen. Die angespannte Haushaltslage sei das Kriterium, welches das Hörbuch als „ermäßigtes“ Kulturgut nicht attraktiv für den Kunden, wohl eher den Staat, mache, weswegen man lieber noch keine neuen Wege gehen möchte. Man kann gespannt sein, welche weiteren Entwicklungen da auf das Hörbuch, vor allem in Deutschland, zukommen.

Das neueste technische Produkt auf dem Buchmarkt ist klar der E-Book-Reader. Doch wie kann sich das Hörbuch in diese neue Nische eingliedern? Bei den meisten Lesegeräten sollte es kein Problem sein, das Hörbuch als MP3-Datei zu speichern und abzuspielen. Der Sony Reader zum Beispiel verfügt über diese Fähigkeit. Einige andere Reader hingegen legen darauf wohl keinen Wert. Ist das Hörbuch unnötiger Luxus? Dauert es einfach noch, bis die E-Book-Branche das Hörbuch in ihren Kreis der Datenvielfalt mitaufnimmt? Oder ist der eigentliche Zweck des E-Book-Readers hingegen ein eher wissenschaftlicher, eben eher für Uni und Arbeitswelt gedacht?

Das impliziert allerdings, dass der Kundenkreis für die Lesegeräte an sich sehr klein kalkuliert ist. Für Wissenschaft und Studium ideal, zeigt sich in der Freizeit des Lesers die Bindung zum gebundenen Buch. Noch.

Was das in punkto Hörbuch bedeutet, ist allerdings bislang unklar. Denn vielleicht ist der E-Book-Reader das Medium, welches den größten Erfolg für das Hörbuch bedeuten könnte. Momentan sind realitätsnahe Prognosen relativ unmöglich. Das Hörbuch hat den Wissenschaftsmarkt allerdings noch nicht ansatzweise erobert.

Bloßes Spekulieren hat der Realität selten entsprochen. Nach vielen modernen Weiterentwicklungen geht das Hörbuch nun vielleicht auch den Weg des E-Books. Oder ist es dafür schon wieder zu schwach? Und in Bezug auf das gedruckte Buch sind zwei Lösungsansätze auch beim Hörbuch denkbar. Warum nicht elektronisch bzw. digital und gepresst?

Man bedenke, dass Edison mit seiner Erfindung, die das Hörbuch schließlich möglich machte, schon lange zu Staub zerfallen ist. Ob das Hörbuch auch diesen Weg beschreiten wird? Man wünscht es ihm nicht.