Warum der gute Mensch im Laden um die Ecke kauft

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Bücher kaufen ist eine humorlose Sache. Sie beinhaltet absolut nichts Triviales oder Emotionales. Nein, es ist eine Sache der Vernunft und Verantwortung. Jede Kaufentscheidung wiegt schwer, denn mit jedem Buch, das bei Amazon bestellt wird, gewinnt der Internetbuchhandel eine Schlacht in einem der wichtigsten Kriege der Kultur- und damit der Menschheitsgeschichte. Und Sie dachten, Sie kaufen einfach nur ein Buch…
Aber eigentlich ist es doch fast unmöglich sein Buch nicht in einem Buchladen zu kaufen. Selbst jede Kleinstadt scheint genauso viele Buchläden wie Banken zu haben. Ok, das ist vielleichtübertrieben. Aber mindestens so viele wie Blumenläden. Die Auswahl könnte kaum größer sein.

Gerade die großen Filialisten, die die Kapazität besitzen, schaffen es immer wieder einen zumNachdenken zu bringen über das Kulturgut Buch und seine Preisbindung. An dem großen Tisch mitMängelexemplaren kann ich zum Beispiel nur mit gesenktem Kopf und mit Schamröte im Gesicht vorbei gehen. Dieser Tisch steht immer im Eingang. Und genau dort muss er stehen. Natürlich nur, um damit auch noch den letzten Zweifler in den Buchladen zu treiben, der sich denkt wie schlimm es um die Buchpreisbindung und den Buchhandel im Allgemeinen stehen muss, wenn schon mit diesen wirklich verdreckten und kaputten Büchern Leute in den Laden gelockt werden sollen. Ich sehe beim Quetschen durch die Menschenmassen, die sich um die wenigen Exemplare im akzeptablen Zustand auf dem Tisch bemühen, dass ich offenbar nicht der Einzige bin, der so denkt, und auch an den Tischen mit Dekorationsartikeln und Gartenbedarf kann ich in den Gesichter leichte Bestürzung ausmachen.

Nun angekommen im Buchladen geht es auf Richtung Belletristik. Das Regal ist eigentlich kaum zu übersehen. Es ist das im Laden, bei dem die wenigsten Leute stehen. Die meisten lassen sich schon von den Tischen mit ihren Aufbauten vorher abfangen, sodass es nur ein kleiner auserwählter Personenkreis bisher geschafft hat überhaupt einmal seine volle Aufmerksamkeit dem Regal an und für sich zu widmen. Nur hier lauert schon wieder die Gefahr des schlechten Gewissens. Ich bin ein schlechter Kunde, denn ich lese leider nicht alles, und die Wand aus rosa Buchrücken mit Titeln wie "Das Superweib“, „Zeiten der Leidenschaft“ oder „Die Unendlichkeit der Liebe“ rufen wieder Schuldgefühle in mir wach. „Lies doch mal wieder mehr, das sind doch wirklich wichtige Dinge.

Du schimpfst doch immer über diese langweiligen, nach Schema F ablaufenden Filme auf den Privaten. Doch hier in diesen Büchern hast du sie: Abwechslung, Themenvielfalt und tief philosophische Ansätze. Doch nein, du kommst wieder mit so einem unbedeutenden südamerikanischen Literaturnobelpreisträger um die Ecke, den keiner interessiert.“

Wirklich überwinden kann ich mich leider nicht, lasse die rosa Wand in ihrem makellosen Zustand und mache mich wieder auf die Suche nach den Autoren, die ich im Internet vorher recherchiert habe. Recherchiert, nicht bestellt, weiß ich doch, dass es in der heutigen Titelflut absolut unmöglich ist, sich mit allem auseinander zusetzen. Eine Mitarbeiterin eines großen Filialisten wies mich einmal freundlich darauf hin, dass sie mir nicht sagen könnte, welches Buch von Bukowski zum Einstieg geeignet sei, schließlich lese sie Dinge vor einem vollkommen anderen Bildungshintergrund als ich. Diese freundliche Erfahrung lehrte mich, dass ich bei Fragen mich am besten immer an die Mitarbeiter wende, die mir schon sagen werden, ob ich für ein Buch zu blöd bin oder nicht. Da meine Suche nach dem Buch des unbedeutenden südamerikanischen Literaturnobelpreisträgers immer noch erfolglos verläuft, suche ich nach jemandem, der mir weiterhelfen kann. Auf dem Bildschirm kann ich mitverfolgen, wie viele unterschiedliche Schreibarten es für den Namen des von mir gesuchten Autors gibt. Meistens ist das Buch direkt am nächsten Tag noch da. Genauso schnell wie bei einer Internetbestellung. Bevor die Bestellung abgeschlossen wird, weist mich die Verkäuferin darauf hin, dass ich das Buch auch im Internet hätte bestellen können und dann in die Buchhandlung meiner Wahl liefern könnte. So bringt der Buchhandel auch noch die Menschen dazu wieder vor die Tür zu gehen.
Am Ende stehe ich draußen, schaue in den Himmel, der sich langsam mit Gewitterwolken zusieht und freue mich, dass ich dem Buchhandel im Kampf gegen die Internetbestellung zur Seite gestanden habe. Morgen kann ich mein Buch dann abholen. Ich werde den Postboten nur müde belächeln, der mit den amazon-Päckchen von Tür zu Tür fährt, während ich mir die Kapuze noch etwas fester gegen den Regen ins Gesicht ziehe.