»Hotlist«: Interview mit Anya Schutzbach

»Reine Willkür kann einen gewissen Charme haben«

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Warum die »Hotlist« vom Zufall bestimmt wird, aber dennoch ein Gewinn ist. Ein Gespräch mit Weissbooks-Verlegerin Anya Schutzbach über die Kritik an der Liste der Independents.

Klaus Sander nennt die »Hotlist« eine Unverschämtheit. Hat er Recht?

Schutzbach: Eine Unverschämtheit ist es nicht, dennoch verstehe ich, dass man das so sehen kann.

Ist es eine repräsentative Auswahl?

Schutzbach: Nein, natürlich nicht. Aber das war auch nie der Anspruch. Uns war völlig bewusst, dass bei solch einem Schnellschuss die reine Willkür am Werke ist. Aber auch die reine Willkür kann einen gewissen Charme haben.

Wie ist die Liste zustande gekommen?

Schutzbach: Die Idee stammt von Blumenbar, unmittelbar nachdem die Liste für den Deutschen Buchpreis publik wurde. Darauf finden sich 20 von einer Jury ausgewählte Bücher, aber es gibt darüber hinaus natürlich noch ganz andere Entdeckungen zu machen: Darüber haben wir miteinander telefoniert und wollten eine Empfehlungsliste aufstellen, die die Vielfalt dokumentiert, die sich auf dem Markt findet.

Und als 20 Verlage abtelefoniert waren, war die Liste komplett ...

Schutzbach: Genau. Stellen Sie sich vor, da geht jemand mit dem Korb durch den Herbstgarten und sammelt an Früchten das, was er findet, bis der Korb voll ist. Dass in diesem Garten noch viel mehr Bäume wachsen, die auch köstliche Früchte tragen, ist doch völlig klar. Die, die jetzt auf der Liste versammelt sind, verstehen sich doch nicht als die Auserwählten, sondern als Stellvertreter für alle unabhängigen Verlage.

Pech für die anderen.

Schutzbach: Uns war auch klar, dass wir im Falle eines Erfolgs die Sache im kommenden Jahr fortsetzen würden - mit einem viel weiteren Vorlauf und entsprechender Planung. Auf Grund der schieren Geschwindigkeit, mit der sich die Idee nach vorn entwickelte, gab es unter uns keine Bedenkenträger, niemanden, der zur Vorsicht geraten hätte. Wir sind einfach ein Haufen vorwärtsdenkender, vom Spaß und der Lust gesteuerter Verleger. Den Schwung galt es zu nutzen, der sollte nicht verpuffen. Man kann natürlich immer alles besser, professioneller machen. Inzwischen hat sich auf der Basis dieser Dynamik die Überzeugung entwickelt, dass es ein perspektivisch ausgerichteter Preis sein soll. Damit es aber dazu kommen kann, brauchen wir die Unterstützung von allen Freunden in allen anderen unabhängigen Verlagen. Die Initiative einer Gruppe könnte zu einer guten Sache für die Independents insgesamt werden.

Warum fehlen die Verlage, die die »Hotlist« initiiert haben, auf der Liste für den Deutschen Buchpreis?

Schutzbach: Die Frage kann ich nicht beantworten, die ist mir zu schwer. Sicher aus sehr unterschiedlichen Gründen. Und vor allem: Die Hotlist mit ihren ganz anderen Vorgaben ist kein Spiegelbild der Longlist, kein böser Angriff, sondern nur ein zusätzlicher Blick in die Vielfalt des Literaturlebens.

Hat die »Hotlist« eine Auswirkung auf den Verkauf?

Schutzbach: Dafür ist es zu früh. Aber es gibt sicher schon eine Auswirkung auf die Wahrnehmung: Die ist gestiegen. Und zwar die Wahrnehmung der Independents insgesamt.