Ausbildung

»Ich bin glücklich, dass ich genau hier arbeiten darf«

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Doris Müller-Höreth von der Buchhandlung Pelzner in Nürnberg antwortet auf das Editiorial im Heft 36 »Auf der Liste der gefährdeten Arten«: 

Mal sind wir Buchhändler zu faul oder zu träge, mal zu wenig innovativ, mal jammern wir wieder so ganz ohne Grund, oder wir sind technik-, fortschritts-, medien- oder zukunftsfeindlich eingestellt. Resistent gegen wohlmeinende Ratschläge seitens der Experten sind wir ja sowieso - löbliche Ausnahmen natürlich ausgeschlossen. Nun ist es diesmal also so weit: Der Image-Totalschaden unseres Berufs wird beklagt. Anscheinend ist ja wohl nichts mehr zu retten, wenn sogar die GFK sagt, dass dieser Beruf bald ausstirbt.

Hört man den "jungen Leuten bei Verstand und gesundem Gemüt" gut zu, so muss man ihnen wohl Recht geben. Welcher Beruf fordert vergleichsweise hohe Schul- und Allgemeinbildung bei dermaßen schlechter Bezahlung, extrem familienfeindlichen Arbeitszeiten sowie lausigen Zukunftsperspektiven?

Leider können wir ihnen auch nicht verdenken, dass sie so viele unserer Tätigkeiten gar nicht kennen. Die meisten Jugendlichen kennen sich im Internet weit besser aus als im Buchladen vor Ort. Schulbuchverlage kommen mit ihren Vertretern direkt in die Schulen, um die Kids mit Lernhilfen zu versorgen, Lehrer besorgen Klassenlektüre im Internet oder fordern ihre Schüler dazu auf. Um dies zu ändern müssen findige Ideen her. Der Welttag des Buches mit seiner Aktion "Ich schenk dir eine Geschichte" genügt jedenfalls nicht, etwas mehr Bildungs- und Kulturarbeit seitens der Buchhändler in den Kommunen tut dringend Not. Aktive Buchhandlungen, welche diese Arbeit leisten (wollen), benötigen aber Unterstützung seitens der Verlage und Kommunen, um diese Arbeit sinnvoll leisten zu können.

Eine These, warum Buchhändler nicht mehr ausbilden, die ich keinesfalls unterstützen kann ist die angeblich "fehlende Eignung der Bewerber". Ein Schlag ins Gesicht für jeden Jugendlichen in unserer Gesellschaft, die unsere Generation ja wohl mitgeprägt hat und für die sie verantwortlich ist. Eine Ausbildung beginnt man ja wohl, weil man noch etwas zu lernen hat und wer, wenn nicht wir soll denn der nächsten Generation etwas von unserem Fachwissen weitergeben?

Ich bilde jetzt seit 15 Jahren Auszubildende im Buchhandel aus, seit 10 Jahren im eigenen Laden, und es war noch keine einzige Auszubildende dabei, die nicht für unseren Beruf geeignet wäre - im Gegenteil habe ich hoch motivierte, literarisch interessierte, aufgeschlossene junge Leute kennen gelernt, die neugierig waren und in unserer Branche etwas bewegen woll(t)en. Diese jungen Leute haben uns und unsere Buchhandlung verändert und verjüngt, und wir haben immer wieder auch von ihnen und ihren ungewöhnlichen Ideen profitiert.

Ursula Rosengart hat völlig Recht. In der Buchhandlung will man überrascht werden. Ihre Unterstützung und die Solidarität ihrer Verlegerkollegen brauchen wir, damit wir im Buchhandel weiter ausbilden können. Verlage, die Sortimentsrabatte immer mehr kürzen und stattdessen auf die Endkunden schielen, wie z. Z. im Schul- und Fachbuchgeschäft üblich, nehmen uns die Butter vom Brot .

Diese Buchbranche bringt mich wirklich oft zur Verzweiflung, aber noch wesentlich öfter bin ich glücklich, dass ich genau hier arbeiten darf, mit all diesen wunderbaren Büchern, schrägen Kollegen und all den interessanten Kunden, die in unsere Läden kommen, unseren Alltag bereichern und immer noch Gott sei Dank unsere Bücher kaufen. Dass sie dies in Läden, die mit immer weniger Personal zu immer nmöglicheren Ladenöffnungszeiten immer mehr Schwachsinn verkaufen, nicht mehr so gerne tun, kann man ihnen nicht verdenken. Am geschulten Fachpersonal liegt das sicher nicht.