Lesen Sie hier den Beitrag von David Marc Hoffmann im Wortlaut:
Die Frankfurter Buchmesse und der untrennbar dazugehörige Friedenspreis des deutschen Buchhandels stehen seit ihrer Gründung 1949 bzw. 1951 für Pluralismus der Meinungen und für die Freiheit des gesprochenen und geschriebenen Wortes. In China, dem Gastland der diesjährigen Messe, gelten diese Werte nichts. Die unveräusserlichen Menschenrechte werden dort mit Füssen getreten. Vor 20 Jahren wurde die studentische Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking vom Militär blutig niedergeschlagen. China praktiziert offen Zensur. Willkürjustiz, öffentliche Vollstreckung von Todesurteilen und politische Umerziehungslager gehören zu Chinas Alltag. Minderheitengebiete werden durch Fremdbesiedlung, Zwangsumsiedlungen und Sterilisationen „ethnisch gesäubert". China liegt noch unter dem Niveau eines kommunen „Schurkenstaates", weil es seine Menschenrechtsverletzungen systematisch und gesetzlich abgesichert begeht.
Auch wenn wir Chinas Literatur und Kultur einladen wollten, tatsächlich kommt eben die Volksrepublik China, angeführt von ihrem Unrechtsregime, die sich hier als Kulturnation inszenieren kann. Kuschen wir vor jahrzehntelangen offenen Menschenrechtsverletzungen, bloss weil China als Wirtschaftsfaktor heute unumgänglich geworden ist ...?
Für die UNO gibt es in China keine Menschenrechtsprobleme und auch keine Tibet-Frage – weil China Mitglied und Veto-Macht im UNO-Sicherheitsrat ist. Das nennt man Realpolitik. Wir Buchhändler und Verleger aber haben neben wirtschaftlichen auch geistige Aufgaben, und dazu gehört der Mut, Unrecht bei Namen zu nennen. Alles andere gehört in das Kapitel der „trahison des clercs", des Verrats der Intellektuellen, wie ihn Julien Benda schon vor 80 Jahren angeprangert hat. Es ist zu hoffen, dass die Regimevertreter Chinas an der Buchmesse wenigstens mit der Unveräusserlichkeit der Menschenrechte konfrontiert werden.