Frankfurter Buchmesse

»Schurkenstaat« als Gastland?

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Der massive Druck der chinesischen Zensurbehörde auf die Autorin Dai Qing hat die Debatte um den Ehrengast China in Gang gesetzt: »Auch wenn wir Chinas Literatur und Kultur einladen wollten, tatsächlich kommt eben die Volksrepublik China, angeführt von ihrem Unrechtsregime«, meint David Marc Hoffmann, Verlagsleiter Schwabe Verlag Basel.

Lesen Sie hier den Beitrag von David Marc Hoffmann im Wortlaut:

Die Frankfurter Buchmesse und der untrennbar dazugehörige Friedenspreis des deutschen Buchhandels stehen seit ihrer Gründung 1949 bzw. 1951 für Pluralismus der Meinungen und für die Freiheit des gesprochenen und geschriebenen Wortes. In China, dem Gastland der dies­jährigen Messe, gelten diese Werte nichts. Die unver­äusserlichen Menschenrechte werden dort mit Füssen getreten. Vor 20 Jahren wurde die studentische Demokratiebewe­gung auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking vom Militär blutig niedergeschla­gen. China praktiziert offen Zensur. Willkürjustiz, öffentliche Vollstreckung von Todesurteilen und politische Umerzie­hungslager gehören zu Chinas Alltag. Minderheitengebiete werden durch Fremdbesiedlung, Zwangsumsiedlungen und Sterili­sa­tionen „ethnisch gesäubert". China liegt noch unter dem Niveau eines kommunen „Schurkenstaates", weil es seine Menschenrechtsverletzungen systematisch und gesetzlich abgesichert begeht.

Auch wenn wir Chinas Literatur und Kultur einladen wollten, tatsächlich kommt eben die Volksrepublik China, angeführt von ihrem Unrechtsregime, die sich hier als Kulturnation insze­nieren kann. Kuschen wir vor jahrzehntelangen offenen Menschenrechtsverlet­zungen, bloss weil China als Wirtschafts­faktor heute unumgänglich geworden ist ...?

Für die UNO gibt es in China keine Menschenrechtsprobleme und auch keine Tibet-Frage – weil China Mitglied und Veto-Macht im UNO-Sicherheitsrat ist. Das nennt man Realpolitik. Wir Buch­händler und Verleger aber haben neben wirtschaftlichen auch geistige Aufgaben, und dazu gehört der Mut, Unrecht bei Namen zu nennen. Alles andere gehört in das Kapitel der „trahison des clercs", des Verrats der Intellektuellen, wie ihn Julien Benda schon vor 80 Jahren angepran­gert hat. Es ist zu hoffen, dass die Regimevertreter Chinas an der Buchmesse wenigstens mit der Unver­äusser­lichkeit der Menschenrechte konfrontiert werden.