Presseschau

Debatte um Ehrengast China

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
In den Medien ist die Ausladung von Dai Qing und Bei Ling heute Top-Thema. Das Symposion zu Chinas Gastlandauftritt bei der Frankfurter Buchmesse drohe zu platzen, heißt es in der »Frankfurter Rundschau«. »Peking hat die Buchmesse in den vergangenen Tagen erfolgreich erpresst«, schreibt die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«. boersenblatt.net stellt die Presseberichte zusammen.

»Es rächt sich nun, dass die Buchmesse ihre Ehrengäste in den vergangenen Jahren immer loyal verteidigt hat. Ob nun den Katalanen vorgeworfen wurde, kastilische Autoren zu vernachlässigen, oder vor dem Auftritt der Türkei ernste Menschenrechtsfragen in den Vordergrund traten - Messechef Jürgen Boos bestand stets auf der Programmautonomie der Gastländer und dem Dialog mit schwierigen Gästen, der besser sei als Nichtstun. Bei der Buchmesse scheint man schlicht nicht mehr zu wissen, wie man problematischen Verhandlungspartnern in öffentlicher Gegenrede aufzeigt, dass ihr Verhalten bestimmte Grenzen überschritten hat.«

Frankfurter Allgemeine Zeitung

 

»Bei der Buchmesse zeigte man sich konsterniert über Dais Versuch, doch noch in Frankfurt zu erscheinen. 'Dann stürzt die ganze Veranstaltung garantiert in sich zusammen', sagt Organisator Peter Ripken. Noch am Mittwoch sei er davon ausgegangen, dass Dai damit einverstanden sei, erst im Oktober nach Frankfurt zu kommen und dort bei einer Veranstaltung zu sprechen, die nicht unter dem Schirm des Gastlandauftritts stattfindet.«

Frankfurter Rundschau 

 

Die »Süddeutsche Zeitung« hat Auszüge aus der Rede veröffentlicht, die der Schriftsteller Bei Ling auf dem internationalen Symposium an diesem Wochenende halten wollte: »In einer Julinacht im Jahr 2000 fuhr mich ein Freund in seinem Auto zu einer Druckerei im Pekinger Vorort Tongzhou. Ich war damals Chefredakteur des Magazins Qing Xiang, und wir hatten noch zwei Tage bis zum Redaktionsschluss der aktuellen Ausgabe. Ich war unterwegs, um zwei Wörter zu löschen, die mich ins Gefängnis hätten bringen können. Das eine war das "Wang" aus dem Namen Wang Dan (einer der Anführer der Studentenproteste im Juni 1989, Anm. der Red.). Das andere Wort lautete "anti" (fan) wie in anti-kommunistisch. Ich verübte einen Akt der Selbstzensur, wie ihn alle Redakteure und Autoren in China immer wieder verüben. Ich hatte keinerlei Zweifel an meinem Tun. Ich wollte einfach weder mich noch das Magazin gefährden.« 

Süddeutsche Zeitung I

 

"China übernimmt die Kontrolle über die Einladungspolitik der Frankfurter Buchmesse. Chinesischen Autoren wird ein Maulkorb verpasst", schreibt Henrik Bork in der SZ.  Das wichtigste Literaturspektakel des kommenden Herbstes sollte umbenannt werden, meint er: ,,Frankfurter Buchmesse, Ehrengast China‘‘ stimmt nicht mehr so ganz. ,,Pekinger Buchmesse, diesmal zu Gast in Frankfurt‘‘ wäre ehrlicher.

Süddeutsche Zeitung II

 

»Offenbar haben die Machthaber in China begonnen, die Buchmesse nach ihren Vorstellungen zu formen. Zwar werden zur Messe neben anderen Oppositionellen oder Exilchinesen auch Dai Qing und Bei Ling kommen. Doch sind sie eben nicht Teil des langfristig geplanten Auftritts Chinas - und es besteht die Gefahr, dass ihre Wortmeldungen in der schieren Masse der Messeereignisse untergehen.

Die Buchmesse ist ein Unternehmen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Dessen Vorsteher Gottfried Honnefelder sagte im Juli der WELT, die Gastfreundschaft der Messe habe auch Grenzen. Zum Beispiel "wenn die chinesische Delegation in Verlautbarungen die Meinungsfreiheit und den free flow of information, den wir hier auch mit Blick auf Information über regimekritische chinesische Autoren pflegen, beeinflusst. Dann ist der Punkt erreicht, an dem wir sagen: Das nicht." Ist diese Grenze mit der erpressten Ausladung von missliebigen Autoren vom Frankfurter Symposion nicht bereits überschritten?«

Die Welt