China-Symposium

Positionen statt Diskussionen

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Unter leichten Turbulenzen ist heute das zweitägige Symposium »China und die Welt« zuende gegangen. Kritische Fragen aus dem Plenum und Kritik der offiziellen chinesischen Delegation an der gestrigen Berichterstattung in den deutschen Medien sorgten erneut für Erregung. In den meisten vorangegangenen, hochkarätig besetzten Dilskussionrunden hatten die Teilnehmer reihum ihre vorbereiteten Reden und Beiträge vorgetragen – eine aktiver Meinungsaustausch kam nur selten zustande. Fazit: viel Information, wenig Diskussion.

Am Ende der als "Literarische Matinee" deklarierten letzten Sitzung des zweitägigen Symposiums drohte die Veranstaltung den Moderatoren noch einmal zu entgleiten. Fragen aus dem Publikum nach dem inhaftierten chinesischen PEN-Präsidenten Liu Xiaobo, Vorwürfe der chinesischen Delegierten, sie seien in den deutschen Medien falsch zitiert worden, und die Wortmeldung des Regimekritiker Bei Ling brachten noch einmal Bewegung in den Saal am Instituto Cervantes in Frankfurt. 

Die vorangegangenen Sitzungen waren dagegen wenig kontrovers verlaufen. In jeweils acht Minuten Sprechzeit referierten die Podiumsteilnehmer, die teils von den deutschen, teils von den chinesischen Partnern eingeladen worden waren, weitgehend ohne kritische Zwischenfragen über vorrangig gesellschaftspoltische Themen. Eine Diskussion zwischen den Referenten oder mit dem Auditorium kam selten zustande.

Beim Thema "China in den Medien" übte Ex-Botschafter Mei Zhaorong Kritik an Deutschland, das als Lehrmeister auftrete und China nur nach europäischen Maßstäben beurteile. Zudem werde China in den deutschen Medien häufig als Bedrohung dargestellt. Der spanische Autor Enrique Fanjul sprach von einem "grundsätzlichen Missverständnis" im Blick auf China, da man China stets auf einer Ebene mit anderen kommunistischen Ländern wie Russland sehe. China sei jedoch nicht von einem typisch kommunistischen Bewusstsein geprägt, sondern von einem nationalen. Auch unter der kommunistischen Partei werde es eine schrittweise Demokratisierung geben.

Um die großen Gegensätze zwischen Stadt und Land, Umwelt und Modernisierung ging es beim "'Industrialisierung und gesellschaftlicher Wandel" betitelten Panel. Arbeit, Wohnung, Gesundheit, Renten – das seien die großen Themen, mit denen sich China in der Zukunft beschäftigen müsse, erklärte der Soziawissenschaftler Li Qiang. 400 Millionen der ingesamt 1,3 Milliarden Chinesen seien von tiefgreifenden Veränderungen, etwa der wachsenden Urbanisierung, betroffen – "dass es da Probleme gibt, ist klar". Für Autorin und China-Kennerin Susanne Messmer ist vor allem die Überalterung der Gesellschaft aufgrund der Ein-Kind-Politik eines der großen Probleme, dem sich China demnächst stellen muss: "Kinder werden in China kleine Kaiser genannt. Aber auf ihnen lastet der Druck, für die Eltern sorgen zu müssen."

Bei der letzten Runde – der literarischen Matinee – nutzte der Autor Mo Yan die Gelegenheit, zu betonen, dass er nie, wie in den Medien berichtet, angekündigt habe den Raum zu verlassen, sollten Bei Ling und Dai Qing auf dem Podium sitzen: "Ich bin erstaunt, dass das geschrieben wurde." In typisch chinesischer Manier verpackte er seine Position in eine Anekdote über Dampfkochtöpfe. Der Autor Tilman Spengler knüpfte daran an: "Anekdoten beinhalten individuelle Wahrheiten. Durch das Geschichtenerzählen kommt es zur wechselseitigen Verständigung." In literarischer Hinsicht sollte die Verständigung nach Spenglers Ansicht aber auch nicht zu groß sein: "Wie verhindern wir, dass wir uns in der Literatur immer ähnlicher werden? Wie wahren wir das wertvolle Gut der literarischen Differenzierung?" Eine Frage, die die Autoren selbst beantworten müssten.

Die literarische Matinee fand einen unerwarteten Ausklang, als der Regimekritiker Bei Ling dagegen protestierte, dass er als Lyriker nicht mit auf dem Podium habe sitzen dürfen – da Lyrik doch ein wesentlicher Bestandteil der chinesischen Literatur sei. 

Die Veranstaltung war von der Frankfurter Buchmesse und dem offiziellen chinesischen Organisationskomitee in Zusammenarbeit mit dem PEN als Vorbereitung zur Buchmesse organisiert worden. Schon im Vorfeld hatte es Querelen um die regimekritischen Autoren Bei Ling und Dai Qing gegeben, die ursprünglich von der Veranstaltung ausgeschlossen worden waren. Siehe weitere Meldungen: