Interview mit Börsenvereinsvorsteher Gottfried Honnefelder

"Ein Fürsprecher des freien Denkens"

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Die Buchmesse steht nach einem diplomatisch misslungenen China-Symposium in der politischen Kritik. Hauptvorwurf: Feigheit vor dem Gast.

Der Eklat um das Symposium hat den Vorstand des Börsenvereins in Sorge versetzt. Was sagen Sie Mitgliedern, die die Besorgnis teilen, dass der Verband im Eintreten für Meinungs- und Redefreiheit gerade an Glaubwürdigkeit verliert?
Es kann keinen Zweifel geben, wo Börsenverein und Buchmesse zur Frage der freien Rede, der Menschenrechte und der Freiheit der Autoren stehen. Dass das Feuilleton uns hierzu immer wieder skeptisch befragt, ist seine Aufgabe und sollte auch niemanden wundern. Nochmals sei es deshalb gesagt, dass unsere Gastfreundschaft, mit der wir die Chinesen in Frankfurt willkommen heißen wollen, eine Grenze hat. Die ist erreicht, wenn Gäste der Buchmesse die Meinungsfreiheit und den free flow of information nicht respektieren oder die Gesetze des Landes missachten.


Ist nicht der Fall bereits eingetreten, als eine chinesische Delegation zu verstehen gab, zwei Kritiker des Regimes­ seien auf dem Symposium unerwünscht?
Das Problem ist die Folge einer heiklen organisatorischen Entscheidung: Die Buchmesse hat versucht, das Symposium »China und die Welt« im Verein mit ihren chinesischen Partnern zu planen. Das hat am Ende in einen nicht auflösbaren Konflikt geführt. Auf einer gemeinsam getragenen Veranstaltung kann man nicht mehr die Notbremse ziehen und sagen: »Bis hierher und nicht weiter.« Für dies Dilemma zeigt eine Standfestigkeit fordernde Öffentlichkeit wenig Verständnis – was ich verstehen kann.


Steht zu befürchten, dass sich solche­ Konflikte auf der Messe wieder­holen?

Im Oktober kann uns dergleichen eigentlich nicht passieren. Da wird der Ehrengast seine eigenen Veranstaltungen machen, und die Weltpresse wird darauf frei reagieren. Daneben gibt es viele andere Veranstaltungen, auch solche der Buchmesse. Was dort gesagt wird, werden unsere chinesischen Gäste zur Kenntnis nehmen müssen.


Messedirektor Juergen Boos hat in den letzten Tagen mehrfach betont, er werde sich mit Nachdruck für die Freiheit von Rede und Presse einsetzen. Kann er das im Kontext mit China noch glaubwürdig tun?
Juergen Boos macht für die größte Buchmesse der Welt einen prima Job. In der Vorbereitung des Symposiums sind Fehler vorgekommen, die er zu verantworten hat. Die ärgern ihn selbst am allermeisten. Aber an seinem Eintreten für das freie Wort gibt es keinen Zweifel. Das gilt in gleicher Weise für die gesamte Buchmesse, die in ihrer Geschichte immer beides war: Öffner neuer Märkte und entschiedener Fürsprecher des freien Denkens. Der chinesische Schriftsteller Mo Yan, den ich sehr schätze, hat uns übrigens auf dem Symposium erklärt, warum sich das nie ändern darf: »Wir müssen schreiben, was unsere Herzen bewegt. Nur so können unsere Werke Weltliteratur werden.« Die Litera­tur selbst ist an die Bedingung von Freiheit geknüpft. Das gilt im Land unseres Ehrengastes 2009 wie überall auf der Welt.