Kommentar

Bestseller: Das zieht Kreise

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Die eigentliche ­Krise, auf die die Branche eine Antwort finden muss, ist nicht die Konsum-, sondern die Bestseller-Krise. Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteurin Tamara Weise.
Verlage verhandeln bei Neuverträgen heute härter denn je, die Vorschüsse sinken, sagen Literaturagenten. Warum das so ist? Klare Sache: Sie mussten in den vergangenen Jahren so viel Lehrgeld zahlen, dass sie Manuskripte nun noch genauer prüfen, Argumente immer wieder aufs Neue abwägen und schlichtweg sparsamer sind. Verlegen meint dennoch Geld vorlegen – für den Autor, für Produktion und Marketing. Die Formel lautet: Je größer die Chancen auf Um- und Absatz, desto höher auch die Summe, die ein Autor vorab bekommt. Wenn die Vorschüsse weiter sinken, kann das also nur eines heißen: Immer weniger Titel schaffen hohe Auflagen. Fest steht: Trotz Novitätenwelle herrscht auf den Bestsellerlisten seit Monaten kaum Bewegung, der Markt wirkt wie zementiert. Dass Verlage darauf reagieren und das Vorschuss­karussell an Geschwindigkeit verliert, ist logisch.

Die wenigen Bestseller gewinnen mehr und mehr an Aufmerksamkeit – die Luft an der Spitze wird dünner. Das untere Plateau gehe in die Breite, sagen Agenten dazu. Wie groß die Hoffnung ist, die in einzelne Autoren gesetzt wird (und wie groß der Druck für Handel und Verlage ist), lässt sich gerade an der Vermarktung von Dan Browns neuem Thriller gut ablesen. Ungesund nennen viele diesen Trend – und zucken doch mit den Schultern: So liegen die Dinge nun mal. Ja, wirklich. Die eigentliche ­Krise, auf die die Branche eine Antwort finden muss, ist nicht die Konsum-, sondern die Bestseller-Krise.