Leseempfehlung

"Zum Thema Antiquariat: Humus?" Wilhelm Hohmann zur Lage des Antiquariats

5. Oktober 2009
Redaktion Börsenblatt
"Bleiben Sie freundlich, der Antiquar versucht dies sicher auch": Reflexionen von Wilhelm Hohmann, Antiquar in Stuttgart, über den Wandel eines Branchenzweigs.

Es ist eine fast schon banale Erkenntnis, dass die Antiquariatsbranche seit Jahren einem gravierenden Wandel unterworfen ist. Trotzdem ist es alles andere als sinnlos, diesen oft als Infragestellung der Existenzgrundlage empfundenen Umwandlungsprozess zu beschreiben – und selten geschieht dies in so beziehungsreicher Form wie in Wilhelm Hohmanns Beitrag "Zum Thema Antiquariat: Humus?" zur kürzlich erschienenen Festschrift "125 Jahre Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek" in Leipzig (herausgegeben von Stephanie Jacobs; Göttingen: Wallstein 2009).
Hohmann vergleicht nicht nur die von den Zeitläufen merkwürdig unberührte Außenansicht des Antiquariats mit den teilweise verheerenden Innenzuständen, sondern bezieht neben dem technisch bedingten Veränderungsdruck auch soziale Rahmenbedingungen in seine Überlegungen ein: "[…] die maßgebenden Antiquariatsdatenbanken leben ja zu einem nicht geringen Teil von den Kostensätzen für die Einstellmenge. Was das im Einzelnen ist, kann ihnen egal sein, und bei dem, was teilweise eingegeben wird, ist es eben eine Möglichkeit, mit Daten-Müll Geld zu verdienen. Woran aber bei etlichen Anbietern selbst wieder gezweifelt werden darf, denn bei Preisen ab einem Cent zumindest bei Amazon muss die Frage nach der jeweiligen ökonomischen Sinnhaftigkeit erlaubt sein. […] Ob ohne Umsatz- oder gar Einkommensteuer, mit ABM-Maßnahme oder Ein-Euro-Jobber, ohne weitere – eventuell sozialversicherungspflichtige – Zusatzkosten, Hauptsache, das Finanzamt hat nichts davon, und gegebenenfalls zahlt das Arbeitsamt noch dafür. Aber wehe jemand führt die Lohnsteuer zu spät ab oder kann gar die Krankenversicherung nicht bezahlen. Die Schätzungen hinsichtlich der Anzahl nicht mehr krankenversicherter Selbständiger sind unterschiedlich, dass es sie überhaupt gibt, macht zumindest den Ruf Pensionsberechtigter nach dem dynamischen Unternehmer nahezu lächerlich."

Was Hohmann weiter über Gebrauchtbuch-Aktivitäten nicht weniger Buchhandlungen, Bücher als regionalen Standortfaktor, den Anachronismus von Auktionen im (Buch-)Handel, Bibliothekskataloge 2.0, Anwendungen wie LibraryThing und die Gefahr neuer Abhängigkeiten durch Google & Co. vorträgt, ist von erlittener Einsicht und Aktualität geprägt – jeder, der sich für die Zukunft des Antiquariats interessiert, sollte das lesen.

Eine Kritik allerdings, die man an Hohmanns Beitrag anbringen kann, ist die extreme Knappheit der meisten seiner Ausführungen. Nicht-Insider – und hiervon gibt es mittlerweile auch innerhalb des Branchenzweigs beängstigend viele – dürften nur einen Teil der Anspielungen überhaupt sachlich nachvollziehen können.