Antiquariat

DDR-Untergrund: ein Katalog von Jürgen Läßig, Berlin

2. Dezember 2009
Redaktion Börsenblatt
20 Jahre Fall der Mauer: ein neuer Verkaufskatalog des Berliner Antiquariats Jürgen Läßig zum Thema DDR-Untergrund. Eine Katalogbesprechung von Rainer Friedrich Meyer.

Aus Anlaß des zwanzigsten Jahrestages des Mauerfalles gibt das Berliner Antiquariat Jürgen Läßig einen Katalog zum Thema "DDR-Untergrund" heraus. Dem Kollegen war dies, so schreibt er mir, ein persönliches Anliegen: "Durch meine Affinität zu Widerstandsbewegungen gegen Unterdrückung jeglicher Art, hat sich hier eine 'Symbiose' zu meinem Broterwerb ergeben. Wegen der kleinen Auflagen ist die Sammlung über mehrere Jahre zusammengetragen worden, meist Einzelstück für Einzelstück; der Ankauf war schwierig und teuer, denn die Verkäufer wußten, was sie besaßen."

In diesem Zusammenhang sei auf das Vorwort hingewiesen, das den geschichtlichen Ablauf darlegt: vom Untergrund, über Grenzgänge zwischen offiziell wie inoffiziell, bis zu den Werken aus der Zeit der Wende, die teils davor geplant, nach ihr erschienen.

Gegliedert in "Kunstbücher und Zeitschriften" (Nummern 1–102), "Ausstellungsplakate" (Nummern 103–112), "Offizielle Veröffentlichungen in DDR-Verlagen" (Nummern 113–142); "Sekundärliteratur, Bibliographien und Monographien" (Nummern 143–158) ist der Katalog mit einem dreispaltigen Register versehen, das schwarz gedruckt die Autoren, blau gedruckt die Künstler anführt; dieses Gestaltungsprinzip ist auch im Hauptteil selbst angewandt, die Abbildungsnummern sind ebenfalls in Blau gedruckt.

Bei dieser Gelegenheit sind die weiteren gestalterischen Vorzüge des Kataloges zu würdigen: Offset-Vierfarbdruck auf mattgestrichenem Kunstdruckpapier, jedes der Werke erhielt eine Farbabbildung, so daß der gedruckte Katalog in nichts einem im Netz nachsteht, die Bilder sind stets nah den Beschreibungen, so daß blättern entfällt. Die graphischen Vorstellungen des Antiquars wurden von Marketa Cramer von Laue gekonnt umgesetzt.

Eben dies war für mich Anlaß, diesen Katalog zu besprechen: wenn wir versuchen wollen, konventionelle, qualitätvolle Buchbeschreibung mit moderner Gestaltung sowie angemessener Bebilderung zu vereinen, so vermögen wir hier Denkanstöße zu finden.

Die Lieblingsbücher des Kollegen sind (nach einigem verständlichen Zögern genannt): "Ghettohochzeit" (Nr. 34) mit den Gedichten von Durs Grünbein, "Allez! Arrest" (Nr. 36), die Graphikmappe der Kunstperformance mit dem täglichen Tausch von Proviant gegen Kunst, sowie Matthias BAADER (i. e. Matthias Holst, Nr. 54) "zwischen bunt und bestialisch: ..." mit den popartigen Siebdrucken von Moritz Götze.

Was mir (einem eher aus dem Bereich der weniger aktuellen Bücher und Pressendrucke stammenden, dem Thema nicht grad nah stehenden Altpapierhändler) beim Betrachten der Abbildungen ins Auge fiel: der teils wütende, bisweilen chaotische Tanz der Striche und Farben (herrlich: Nrr. 51 & 90) im ersten Teil wider die etwas gemächliche Buchgestaltung im dritten: gegen den Strich, gegen die herrschende Ideologie arbeiten, gibt eine Kraft, die sich sofort künstlerisch umsetzt – Langeweile ist den, hier ausgesparten, Systemkonformen vorbehalten; das ist wohl immer und überall so. Zum Glück ist dieser Katalog den Unangepaßten gewidmet, daher ist er so spannend und lesenswert.

Der besprochene Katalog kann kostenlos bei Jürgen Läßig bestellt werden (Antiquariat Jürgen Läßig, Westfälische Straße 51, 10711 Berlin, Tel. 030/8835430, freudbooks1@aol.com).

Rainer Friedrich Meyer