Ausbildung zum Buchhändler wenig attraktiv für Schüler
Aufschlussreich sind vor allem die Aussagen der Schüler: In einer Auflistung von zwölf kaufmännischen Ausbildungen landet der Buchhändler-Beruf bei den Mädchen auf dem drittletzten Rang, bei den Jungen gar auf dem letzten (siehe Grafik Die beliebtesten kaufmännischen Berufe bei Mädchen und Jungen). Im Verlag zu arbeiten, scheint für Schüler viel attraktiver zu sein. Die Medienkauffrau positioniert sich auf Platz 3, der Medienkaufmann auf Rang 5.
Ein Grund für die Unbeliebtheit des Buchhandels: Die Schüler vermuten, dass Tätigkeiten mit Büchern und Medien gesellschaftlich ganz weit unten angesiedelt sind. Zudem assoziiert der Nachwuchs mit der Arbeit im Sortiment ein geringes Bruttogehalt von 1 810 Euro und damit weniger als im übrigen Einzelhandel, dem er monatlich 60 Euro mehr zubilligt. Auch an der Zukunftsfähigkeit der Branche wird gezweifelt. Die Schüler sind der Meinung, dass der Buchhandel schweren Zeiten entgegengeht, während die Verlage davon weniger betroffen seien. Die Gefahren für die Buchhändler ergäben sich vor allem durch E-Commerce und E-Books. Zudem glauben die Befragten, dass die Menschen künftig weniger Lust zum Lesen haben.
Entwicklungsmöglichkeiten nach der Ausbildung
Weitere Barrieren, die die Jugendlichen davon abhalten, diesen Beruf zu ergreifen: geringe Entwicklungsmöglichkeiten (Zitat: "Einmal Buchhändler, immer Buchhändler, in anderen kaufmännischen Berufen ist eher ein Branchenwechsel möglich"), trockene Ausbildung, unfreundliche Kunden, eingeschränktes Betätigungsfeld. Karin Schmidt-Friderichs, Vorsitzende des Ausschusses für Berufsbildung im Börsenverein, rückt dieses Bild gerade: "Buchhändler ist ein Beruf mit klaren Entwicklungsmöglichkeiten" – sei es nun der Weg vom Warengruppen- zum Filialleiter in größeren Betrieben oder die Chance, in kleineren Sortimenten die Führung zu übernehmen. Auch der frühe Schritt in die Selbstständigkeit sei möglich.
Befragt nach Motivatorenfür die Arbeit als Sortimenter fielen bei den Schülern Sätze wie: "hat viel Ruhe", "steigert ständig sein Wissen, ist sehr belesen", "guter Schlaf nach vielem Bücherlesen". Auffällig ist, dass viel mehr Barrieren als Motivatoren genannt wurden – und dass diese teilweise sehr halbherzig formuliert sind. "Viele Bewerber wollen in den Buchhandel, weil sie fälschlicherweise glauben, dort hätten sie nichts mit Computern zu tun und würden lange zivilisierte Gespräche mit dem Kunden über Kunst und Kultur führen", weiß Herbert Lichti von der Gutenberg-Buchhandlung in Mainz.
Börsenverein ist gefordert
Die schlechten Ergebnisse erklärt Börsenvereinsvorsteher Gottfried Honnefelder unter anderem mit mangelnder Information: "Viele Absolventen wissen scheinbar nicht, welches Potenzial im Beruf des Buchhändlers steckt." Er sei anspruchsvoll, modern, vielfältig und habe Zukunft. Um diese Botschaft zu transportieren, ist der Börsenverein gefragt: "Wir müssen offensiv kommunizieren, um jene zu erreichen, die wir mit dem novellierten Berufsbild ab 2010 ausbilden möchten." Veranstaltungen wie der Karrieretag Buch + Medien zur Leipziger Buchmesse seien dafür ein erfolgreiches Beispiel. "Solche Netzwerktreffen will der Börsenverein ausbauen; dazu gehören auch Kooperationen mit Berufsinformationseinrichtungen und Berufsmessen."
Mithilfe der Studie werde der Verband am Image und an seiner Nachwuchsarbeit feilen, kündigt Monika Kolb-Klausch an, Bildungsdirektorin des Börsenvereins. Schon jetzt habe der Buchhandel ein doppeltes Nachwuchsproblem: "Einerseits geht die Zahl der Ausbildungsplätze zurück, andererseits fehlen qualifizierte Bewerber, sodass nicht alle Stellen besetzt werden können." Das schlechte Image falle dabei besonders ins Gewicht.
Wenig Branchennachwuchs ist zu erwarten
Das Potenzial für Branchennachwuchs scheint jedenfalls in den nächsten Jahren sehr begrenzt zu sein. Nur ein Prozent der Schüler, die sich für eine Ausbildung interessieren, halten es für "sehr wahrscheinlich", dass sie Buchhändler werden. Weitere fünf Prozent geben immerhin an, dass es "wahrscheinlich" sei. 60 Prozent wollen diesen Beruf auf keinen Fall ausüben, weitere 22 Prozent "wahrscheinlich nicht". Bei den Medienkaufleuten ist das Potenzial schon höher: Zwei Prozent der Schüler sehen es als "sehr wahrscheinlich" an, acht Prozent als "wahrscheinlich", dass sie diesen Weg einschlagen. 43 Prozent stehen keinesfalls zur Verfügung, 26 Prozent "wahrscheinlich nicht".
Schüler, die am Buchhandel interessiert sind und sich bereits über mögliche Ausbildungsplätze erkundigt haben, nutzen unterschiedliche Quellen. Bevorzugt wird die Internet-Recherche. 90 Prozent der Jugendlichen holen sich dort Informationen. "Hier können wir noch gezielter die Kanäle und Ansprachen verbessern", betont Monika Kolb-Klausch. 76 Prozent haben mit ihrer Familie über ihre Pläne gesprochen, ebenso viele ein Schülerpraktikum absolviert. 62 Prozent haben die Berufsberatung in der Schule in Anspruch genommen.
Wie geht es nach der Ausbildung weiter?
Wer sich zu einer Ausbildung im Buchhandel durchgerungen hat, bleibt dem erlernten Beruf noch lange nicht treu. Lediglich 40 Prozent der Azubis wollen ihren Job auch wirklich weitermachen. Elf Prozent möchten gern eine andere Tätigkeit ergreifen, 24 Prozent wollen ein Studium beginnen und 26 Prozent haben noch keine Pläne für die Zeit nach der Ausbildung. Welche Bedingungen müssten erfüllt sein, damit es sich der Nachwuchs anders überlegt? 61 Prozent meinen, dass das Gehalt in den Buchhandlungen höher sein müsste. 41 Prozent sind der Ansicht, dass Aufstiegschancen etwa zum Abteilungs- oder Filialleiter vorhanden sein sollten. Mehr als ein Drittel würde gern vom Arbeitgeber bei der eigenen Weiterqualifikation unterstützt werden.
Auch wenn die Aussagen an der einen oder anderen Stelle so nicht ganz haltbar sind, sollten sie in der Buchwelt nicht ungehört verhallen. Der Appell von Karin Schmidt-Friderichs: Um mehr qualifizierten Nachwuchs in die Branche zu bekommen und ihn auch auf Dauer zu halten, müsse eine umfassende Buch- und Medienkultur etabliert werden. "Hier muss jeder Händler und jeder Mitarbeiter als Imageträger der Branche agieren – denn bloßes Jammern bringt uns nicht weiter."