Meinung

Über Nazi-Literatur im Antiquariat

19. März 2010
Redaktion Börsenblatt
Zeitgeschichte als Deckmantel für inakzeptables Schrifttum? Über Nazi-Literatur im Antiquariatsbuchhandel, aus Anlass der Lektüre einer aktuellen Verkaufsliste. Ein Kommentar.

"Weg damit in den Giftschrank" und "wehret den Anfängen" – das sind verständlicherweise erste Impulse, wenn es um den Handel mit einschlägigen Original-Publikationen aus dem "Dritten Reich" geht. Das indiskutable Material des verbrecherischen Regimes soll schließlich nicht in die falschen Hände geraten und für weitere Indoktrination sorgen – gerade auch angesichts der zunehmenden Zahl rechtsextrem motivierter Straftaten in Deutschland. Verwundert registriert man daher den Umfang an 'angebräunter' und 'brauner' Literatur auf Plattformen und in einzelnen Antiquariatslisten. Man gebe beispielsweise den Namen des im Oktober 1945 verbotenen Münchner Eher-Verlags, Zentralverlag der NSDAP, als Stichwort in die Suchmaske einer führenden Plattform ein – erstaunlich die hohe Trefferzahl.

Sicher, untersagt ist der Handel mit dieser braunen Literatur in den wenigsten Fällen, aber manch unkommentiertes Angebot erschreckt und erzeugt ein schales Gefühl. Wer kauft so etwas? Auf der anderen Seite steht die seriöse, fundierte Auseinandersetzung mit Druckerzeugnissen des Nationalsozialismus, hier wurden wichtige Antiquariatskataloge vorgelegt, die als Bibliografien die Grundlage für wissenschaftliche Arbeiten liefern können. Man denke etwa an Hans Beneckes oder Georg Sauers und Detlev Auvermanns Kataloge aus den 1960er Jahren und an jüngere Zusammenstellungen von Michael Jeschke.

Ein generelles Handelsverbot wäre somit sicherlich nicht die Lösung und auch kaum durchsetzbar (damit würde jegliche tiefere Auseinandersetzung mit der Geschichte des "Dritten Reiches" eingeschränkt – ein Verbot wäre zudem als Zensurmaßnahme eher kontraproduktiv). Es kann nur darum gehen, fragwürdige Angebote wenn nicht auszusondern, so möglichst an die 'richtigen' Abnehmer zu leiten; der Marktnachfrage (die andere Seite der Medaille) nicht immer nachzugeben. Ein Balanceakt. Was ist hier für Plattformen und Antiquare der praktikabelste Weg? Einige scheinen sich bereits entschieden zu haben, denn ganz finster sieht es aus, wenn sich entsprechende Literatur aus der Zeit vor 1945 mit den Publikationen aus jüngerer vermischt.

Matthias Glatthor