Antiquariat

Immerhin ein Anfang

11. Juni 2010
Redaktion Börsenblatt
Workshop zum Online-Antiquariatshandel in Berlin: wie ist Qualitätssicherung im Netz möglich? Wer treibt eigentlich die Entwicklung voran?

Um es gleich vorweg zu sagen: dies ist natürlich nicht der noch zu verfassende ausführliche Bericht vom gestrigen Workshop der AG Antiquariat in Berlin. Die Debatten in dieser gut dreistündigen Veranstaltung (bei 30 Grad Celsius in einem unzureichend klimatisierten Raum…) verliefen teilweise viel zu ungeordnet und widersprüchlich als dass sie ohne Weiteres sinnvoll zu dokumentieren wären. Einen zutreffenden und lesenswerten Beitrag hat Rainer F. Meyer aus Teilnehmerperspektive verfasst (siehe den Link unten), aber eine vollständige Berichterstattung müsste umfangreicher und vermutlich auch wertender ausfallen.

Qualitätssicherung als Großthema

Ein solcher Bericht ist nachzuliefern (von mir als Organisator des von Jörg Mewes und Detlef Thursch als Vorstand der AG Antiquariat im Börsenverein moderierten Workshops), deshalb hier nur einige erste Notizen: im Mittelpunkt der vier Referate des Workshops von Vertretern von Abebooks, GIAQ, Booklooker und ZVAB stand das große Thema Qualitätssicherung. Im Detail: wie senkt man Stornoquoten? Wie sichert man Kundenzufriedenheit? Wie wirken sich gute Angebotsabbildungen aus? Wie setzt man im Netz wirksam Standards durch? Welche Standards gelten überhaupt (etwa bei Buch- bzw. Zustandsbeschreibungen)?

Jens Bertheau, einer der beiden Booklooker-Geschäftsführer, trug in seinem Referat eine Reihe bisher so nicht bekannter Interna aus der eigenen Praxis vor – besonders interessant auch deshalb, weil sich auf der Booklooker-Plattform neben den 2.000 gewerblichen auch noch 50.000 private Anbieter tummeln (die Privaten sind sehr unterschiedlich aktiv). So gibt es etwa einen "Käuferschutz" für Käufer, die ein bestelltes Buch nicht erhalten haben (läuft auf eine Erstattung des Kaufpreises hinaus) und spezielle Prüffilter für irgendwie "auffällige" Anbieter (z. B. bei möglichen Verstößen gegen die Buchpreisbindung).

Beim ZVAB steht das Thema Qualitätsmanagement ebenfalls im Vordergrund. Thorsten Wufka, Mitglied der ZVAB-Geschäftsführung, wies auf das Thema Stornoquote hin – aktuell liegt sie beim ZVAB bei durchschnittlich sechs Prozent. Deutlich überhöhte Stornoquoten – bei mehr als 20 oder sogar 30 Prozent – will das ZVAB künftig nicht mehr hinnehmen und gegebenenfalls auch Kündigungen aussprechen.

Die Tutzinger planen außerdem die Einführung eines Customer Relationship Management-Systems, um etwa Kundenanfragen (auch Kundenbeschwerden) effektiver und nachhaltiger bearbeiten zu können. Neben möglichen Sanktionen stehen also auch eigene Investitionen in die Aufstellung der Plattform.

Wenig Neues von der GIAQ

Enttäuschend fiel der Workshop-Beitrag der beiden GIAQ-Vertreter aus: statt konkreter Information für die fast ausschließlich branchenerfahrenen Anwesenden wurde lediglich ein allgemeines Statement zu "Missständen" und "Verwässerung" im Online-Handel geliefert, gegen die die GIAQ anzugehen versucht. Dass den "fachlich versierten" Antiquaren im Netz "Gesichtsverlust" droht: was heißt das genau? Wie hat sich das Selbstverständnis der GIAQ in den vergangenen Jahren verändert (der eben zum zweiten Mal erschienene "Gemeinschaftskatalog der Antiquare" knüpft beispielsweise an den 1999 eingestellten Gemeinschaftskatalog des Verbands Deutscher Antiquare e. V. an)? Darauf gab es keine oder – man muss das einfach sagen – überemotionale Antworten. Das wirkte insbesondere im Unterschied zur konstruktiven Sachlichkeit anderer Workshop-Beteiligter auffällig.

Nur eine vage Vermutung ist, dass die Existenz der inzwischen von Prolibri.de in Antiquariat.de umbenannten GIAQ-Verkaufsdatenbank das ZVAB in der Vergangenheit von allzu forschen Gebührenerhöhungen abgehalten habe. Und dass die GIAQ im Rechtsstreit mit der Libri GmbH, dessen Ausgang die Umbenennung erforderlich machte, eigentlich gute Karten gehabt habe, ist für denjenigen, der die Urteilsbegründung des Hamburger Landgerichts vom September 2009 kennt, eine schwer nachvollziehbare Behauptung.

AG Antiquariat als Plattform für Fachdiskussion

Allen notwendigen Einschränkungen zum Trotz: das gestern erstmals ausprobierte Veranstaltungsformat scheint insgesamt nicht ganz verkehrt, eine Fortsetzung und Vertiefung des internen Austausches wurde deshalb wenigstens im Grundsatz vereinbart. Es zeigt sich also: die Arbeitsgemeinschaft Antiquariat im Börsenverein kann möglicherweise eine geeignete offene Plattform für diese Form der Fachdiskussion bieten. Das ist für den Anfang nicht ganz wenig.

bb

Dank an alle, die gestern ins bcc gekommen sind, um an dem Workshop teilzunehmen! Besonderer Dank gilt natürlich den Referenten für ihr Engagement!