Auktionen

Buchauktionen – Frühjahrssaison 2010

8. Juli 2010
Redaktion Börsenblatt
Bei allen Unterschieden im Angebot. Die deutschen Buchauktionshäuser ziehen für das erste Halbjahr insgesamt eine positive Bilanz. Ein Überblick.

Bestimmende Faktoren für das insgesamt gute Abschneiden (Zuschlagsquoten nach Lots von rund 60 bis über 90 Prozent) waren erneut: seltenes oder marktfrisches Material mit interessanten Provenienzen, etwa aus gewichtigen Sammlungen. Dort und bei Handschriften, Inkunabeln und Alte Drucken, Atlanten, Geografie und Reisen (gefragt etwa Bücher über Ost-Asien, Südsee und Russland) wurden Spitzenzuschläge erreicht. Positiv wirkt sich zudem eine gewisse Spezialisierung der Auktionshäuser aus.  

Das Braunschweiger Auktionshaus Klittich-Pfankuch etwa widmet sich seit längerem einem von Konkurrenten wenig 'beackerten' Spezialgebiet – nämlich Schachbüchern. In Auktion 57 (1.652 Lots) machte die Abteilung Schach allein 1.178 Lots aus – Zuschlagsquote 91 Prozent. Aber auch der 'gemischte' Rest schlug sich mit nahezu 80 Prozent beachtlich; bei Zuschlägen meist im zwei- oder dreistelligen Eurobereich. Peter Kiefer, Pforzheim, andererseits beeindruckte einmal mehr mit drei Auktionen und einem Durchlauf von rund 18.000 Lots. Die Autografenauktion 694 (1.198 Lots) von J. A. Stargardt, Berlin, übertraf mit einer Zuschlagssumme von 1,6 Millionen Euro die Schätzpreissumme (1 Million Euro) deutlich – rund 80 Prozent der Lots wurden abgegeben. Am höchsten schnitten Briefe von Samuel Hahnemann (60.000) und Friedrich Nietzsche (40.000) sowie eine Quittung von Johann Sebastian Bach (40.000 Euro) mit jeweils 140.000 Euro ab.

Sammlung Horst Janssen und Plakate

Die Kölner Venator & Hanstein melden für ihre Auktionen 113 (1.032 Lots) und 114 (1.368 Lots) einen Gesamtumsatz von rund 75 Prozent der Schätzpreissumme – bei Zuschlagsquoten von 65 Prozent, respektive 57 Prozent. Ein schriftlicher Bieter ersteigerte eine lateinische Rechtshandschrift (Frankreich, um 1300) bei schließlich 58.000 Euro (9.000). Die 344 Lots der Sammlung Horst Janssen gingen zu knapp drei Vierteln in neue Hände. Am höchsten bewertet drei der fünf Grafikfolgen – an der Spitze die komplette Folge "Laokoon, die Bäume der Annette" (1986) mit 9.500 Euro (12.000).  

Per Sonderkatalog bot die Berliner Galerie Bassenge in Auktion 95 (3.345 Lots) "Historische Plakate 1880–1980" (403 Lots) an. Gefragt waren etwa russische Plakate: ein Konvolut von circa 85 Propagandaplakaten aus dem Ersten Weltkrieg kam auf 4.600 Euro (1.800). Johannes Molzahns "Mitteldeutsche Handwerksausstellung" (1925) kletterte auf unerwartete 9.500 Euro (120), wohingegen Walter Schnackenbergs "Odeon Casino" (1920) mit 13.500 Euro (20.000) unter der Schätzung blieb. Beachtliche Ergebnisse gab es unter anderem auch bei den Autografen: 193 Blatt illustrierte Briefe und Karten plus Beigaben von Gunter Böhmer etwa kamen auf 30.000 Euro (45.000).

Atlanten, Geografie und Handschriften

Gewohnter Erfolg bei Reiss & Sohn in Königstein im Taunus mit den Auktionen 135 und 136 (4.526 Lots). Allein beim Spezialgebiet Atlanten setzte man bei 100 verkauften Werken 450.000 Euro um. J. N. Bellins Seeatlas "Hydrographie françoise" (Paris, um 1776) war mit 50.000 Euro (60.000) der höchste Zuschlag der gesamten Auktion. Die umfangreiche Pietismus-Sammlung (mehr als 600 Lots), aus einer Privatbibliothek stammend, konnte fast komplett abgesetzt werden. Insbesondere die Drucke deutscher Pietisten in Amerika.

Merians "Theatrvm Evropaevm" (1635 ff.) sorgte trotz zweier fehlender Bände mit 34.000 Euro (20.000) für das Spitzenergebnis bei Hartung & Hartung in München (Auktion 124; 3.043 Lots). Nach der Zuschlagsquote lagen Manuskripte und Alte Drucke, Moderne Literatur und Kunst oder Geografie und Geschichte, hier insbesondere Arktis & Antarktis, oberhalb des Durchschnitts von 70 Prozent. Zisska & Schauer, München, erreichten mit Auktion 55 (3.445 Lots) die hohe Zuschlagsquote von 82 Prozent, bei der Grafik sogar etwas darüber. Für das Toppergebnis sorgte ein Alchemistisches Rezeptbuch, eine deutsche Handschrift auf Papier um 1480/90, mit 68.000 Euro (8.000). Hohe Einzelergebnisse gab es weiter bei Inkunabeln, alter Theologie, Botanik, Medizin, Zoologie, Technik und Handwerk, Kunst- und Kulturgeschichte, Atlanten, Geografie und Reisen sowie Japanischen Farbholzschnitten.

Stefan George und D. Stempel AG

Christian Hesse, Hamburg, konnte auf seiner ersten Auktion am 15. Mai – Gesamtumsatz rund 350.000 Euro, bei wertmäßiger Verkaufsquote um 70 Prozent – mit modernem Künstlerbuch und Literatur punkten – weniger bei den Alten Drucken. Und Ketterer Kunst Hamburg erlöste mit Auktion 366 (1.669 Lots) rund 1,2 Millionen Euro; das Toppergebnis auf der Abendauktion: für die "Fleurs du Printtemps et de l'Este", ein Manuskript-Florilegium (17. Jahrhundert), gewährte ein griechischer Sammler 70.000 Euro (40.000). Innerhalb der Auktion 422 (1.367 Lots) von Hauswedell & Nolte verdient die Stefan George-Sammlung mit zusätzlichen Werken von Melchior Lechter aus der Bibliothek Castrum Peregrini, Amsterdam, besondere Erwähnung. Die wertmäßige Verkaufsquote lag hier bei 105 Prozent; Bieter aus "allen wichtigen europäischen Ländern", so das Auktionshaus, waren (telefonisch) aktiv. Ein Pergamentexemplar von Stéphane Mallarmés  "Herodias" in der Umdichtung von Stefan George, Berlin 1905, kam auf  33.230 Euro (20.000).  

Die Juni-Auktion (2.392 Lots) von Schneider-Henn, München, konnte gleich mit mehreren Sammlungen reüssieren: etwa der Bibliothek der 1895 gegründeten Frankfurter Schriftgießerei D. Stempel AG, »mit raren Schriften zu ihrem Fach [...], die in Steigerungsturbulenzen gerieten und ihre Schätzpreise teilweise bis auf 1.000 Euro verfünffachten« (Dietrich Schneider-Henn). Stark sei die Nachfrage nach Exlibris gewesen, auch verursacht durch allgemein »nachlassendes Angebot« in diesem Bereich.

Sammlung Emanuel Stickelberger

Zum Abschluss ein Blick in die Schweiz: Mit der Sammlung des Schriftstellers Emanuel Stickelberger (1884–1962), langjähriger Präsident der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft, kam eine der »bedeutendsten Schweizer Privatbibliotheken« im Zürcher Auktionshaus Koller am 25. und 26. Juni (845 Lots) unter den Hammer – dementsprechend groß die Zahl der Interessenten. Gesamtumsatz CHF 1,8 Millionen (Schätzsumme: CHF 1,2 Millionen). Um nur zwei Highlights aus dem breit gefächerten Angebot zu nennen: Merians "Topographia Germaniae" in einer kompletten, einheitlich gebundenen Folge (Frankfurt am Main 1654 – um 1703) mit CHF 204.000 (70.000 / 90.000) und Stickelbergers Exlibris-Kollektion mit CHF 66.000 (18.000 / 25.000). Teil 2 der Sammlung (etwa 500 Lots, vor allem Deutsche Literatur, Helvetica und Varia) versteigert Koller am 4. Dezember.

Ein erweiterter Nachbericht zu den Buchauktionen des ersten Halbjahres 2010 erscheint in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift "Aus dem Antiquariat".

Matthias Glatthor