Die Idee ist auf den ersten Blick so einleuchtend, dass man sich fragt, warum sie nicht schon früher verwirklicht wurde, vielleicht sogar in Kooperation verschiedener Plattformen. Erstmals könnte es mit dem Büchermichel ein die Auktionspreisverzeichnisse ergänzendes Referenzwerk für den Antiquariatsalltag geben.
Der Widerstand, der sich gegen den neuen Büchermichel regt, ist allerdings erheblich. Nur einige Stimmen von ZVAB-Anbietern: "Nicht nur unnötig, sondern für Berufs-Antiquare schädlich", "Wie groß ist der Pool der Informationen wirklich, wie aussagekräftig? Ich für meinen Teil habe bisher fast alle hochpreisigen Werke über Kataloge oder direkte Kundenkontakte verkauft. Damit bin ich sicherlich kein Einzelfall!", "Ich halte nichts von dem Angebot, ich werde es nicht verwenden und habe bereits die Nutzung meiner Daten untersagt." "Mit erscheint das Projekt dreist, unausgereift und juristisch fragwürdig in den Details."
Grundsätzliche Ambivalenz
Eine grundsätzliche Ambivalenz des Büchermichels empfinden wohl diejenigen, die in der Vergangenheit überproportional zur Qualität des Preisarchivs beigetragen haben und nun für die Nutzung dasselbe bezahlen sollen wie die Kollegen, die das ZVAB mit oberflächlich kalkulierten und schlecht beschriebenen Büchern füttern. Hinzu kommen Einzelheiten der Umsetzung, die nicht überzeugen:
Auch lieferbare neue Bücher, zu gebundenen Ladenpreisen über das ZVAB verkauft, werden offenbar angezeigt; das wäre ein Systemfehler.Die Datenqualität entspricht nicht immer dem Wünschenswerten, ohne entsprechende Standardisierungsbemühungen – von redaktioneller Bearbeitung nicht zu sprechen – entsteht leicht ein Informationswust.Viel Kritik zieht auf sich, dass das Sperren der eigenen Daten nur nach dem Opt-out-Verfahren funktioniert.Auf der Büchermichel-Positivseite, die im Augenblick vielleicht zu wenig gesehen wird, steht aber auch etwas:
Der Büchermichel sollte der Mehrzahl der Anwender wirtschaftlichen Nutzen bringen bei der Preisrecherche und -gestaltung.Der Büchermichel ist ein potenzielles Marketinginstrument. Verkäufern, die ihren Namen zur Anzeige freigeben, bietet er eine Verlinkung auf die aktuelle ZVAB-Katalogseite des Anbieters.Von privaten Sammler und Erwerbungsabteilungen von Bibliotheken kann der Büchermichel ebenfalls zur allgemeinen oder konkreten Preisrecherche genutzt werden, wiederum als Ergänzung der Auktionspreisverzeichnisse.Ein Zwischenfazit (denn mehr scheint noch nicht möglich): Die Verwendung des Büchermichels muss schlicht abgewogen werden, im Einzelfall und auf das jeweilige Geschäftsmodell bezogen. Nicht jeder Kollege wird so ein Instrument in der Praxis benötigen, und je spezieller das Fachgebiet ist desto eher wird man vielleicht geneigt sein, seine Daten zu sperren. Andererseits kann der Büchermichel etwa für Einsteiger oder die Beschäftigung mit entlegeneren Themengebieten sehr hilfreich sein.
"Man schlägt den Sack und meint den Esel"
In der Diskussion über den Büchermichel überwiegt die Kritik, und man fragt sich, warum die Antiquare nicht nüchterner an die Angelegenheit herangehen. Eine denkbare Erklärung für die Welle der Empörung ist die Ambivalenz der Funktion der vermittelnden und mitverdienenden Plattformen, die an einem solchen Vorhaben besonders deutlich wird. Auflösen lässt sich diese Zwiespältigkeit wohl nicht mehr – diese Erkenntnis sorgt für Frust, und eine als unsensibel empfundene Kommunikation bietet Anlass, Dampf abzulassen. In den Worten eines erfahrenen Antiquars: "Endlich kann man es dem ZVAB einmal zeigen, hat man aktive Gestaltungsmöglichkeit durch Verweigerung. Das ZVAB ist ja der Buhmann schlechthin. Man schlägt den Sack und meint den Esel."
bb