Meinung

Antiquarische und antiquierte Bücherpreise

20. August 2010
Redaktion Börsenblatt
Eberhard Köstler, auf Autografen spezialisierter Antiquar in Tutzing und seit Anfang 2006 Vorsitzender des Verbands Deutscher Antiquare, über Preise und Preisverzeichnisse für antiquarische Bücher.

Die aktuelle Diskussion über das Angebot des sogenannten "Büchermichel" macht eine alte Binsenweisheit wieder deutlich: die Preise für antiquarische Bücher lassen sich nicht normieren. Jedes antiquarische Buch, das diesen Namen verdient, ist ein Einzelstück und jede Transaktion, also jeder An- und Verkauf, ist einzigartig und nicht wiederholbar. Zu viele Imponderabilien spielen dabei mit: von den kleinsten Eigenheiten des Buches selbst bis hin zu den genauen Umständen des Kaufs. Preisverzeichnisse können höchstens ungefähre, sehr grobe Hinweise geben, im welchem Spielraum sich die Preisentwicklung in der Vergangenheit abgespielt hat, für die Gegenwart oder gar Zukunft sind sie ganz irrelevant. Man muss nur die jeweils aktuellsten Auktionspreise mit denen früherer Jahre vergleichen, um diese Tatsache zu belegen.

Unverstand führt zu den falschen Schlüssen

Dazu kommt: wer Preisverzeichnisse studiert, muss über ein immenses, gewachsenes Wissen um den Büchermarkt verfügen, damit er die richtigen Schlüsse aus den gegebenen Informationen zu ziehen vermag. Jeder Auktions- und Verkaufspreis bedarf einer scharfsinnigen Interpretation, und die kann nur von Kennern geleistet werden. Es ist wie bei jedem Markt und an jeder Börse: laienhafter Unverstand führt zu den falschen Schlüssen, manchmal auch zu falschen Handlungen. Mit mangelnder Transparenz hat das nichts zu tun, aber man muss sich auskennen, wie in jeder anderen Materie auch.

Wenn sich die Preise für Lebenshaltungskosten, Mieten, Immobilien etc. schon regional stark unterscheiden, warum nicht erst recht die für antiquarische Bücher? Es war doch auch früher so, dass man auf dem Flohmarkt oder bei einem provinziellen Winkelantiquar Bücher entdecken konnte, die in den großen und vornehmen städtischen Geschäften (die heute überwiegend verschwunden sind) ein vielfaches kosteten, aber auch dort ihre Abnehmer fanden. Ein gediegenes Ladenlokal in der Innenstadt verursachte eben wesentlich höhere Kosten als ein Flohmarktstand, zog aber auch ganz anderes Publikum an. Ein hoher Buchpreis hatte unter den gegebenen Umständen dieselbe Berechtigung, wie ein niedriger unter anderen.

Ständiges Umdenken vonnöten

Das antiquarische Angebot und die Nachfrage ändern sich beinahe täglich, infolgedessen ändern sich auch die Preise. Als Antiquar musste man und muss man ständig umdenken. Preisverzeichnisse können dabei ein praktisches Hilfsmittel abgeben, wenn man nur im Stande ist, die dort gegebenen Informationen richtig zu bewerten. Anderenfalls sind diese Verzeichnisse nichts anderes als Makulatur und Datenschrott.

Eberhard Köstler