Das Antiquariat Hecht wurde 2002 in Bonn von dem evangelischen Theologen und ehemaligen Verlagsmitarbeiter Jörg M. Nowicki-Hecht (Jg. 1966) als Versandantiquariat gegründet. 2004 eröffnete Nowicki-Hecht ein Ladengeschäft in Bonn-Endenich, im Sommer 2007 zog das Antiquariat aus dem Rheinland nach Leer (Brunnenstraße 17).
Herr Nowicki-Hecht, wie war das zurückliegende Jahr für Ihr Antiquariat?
Jörg Nowicki-Hecht: Ganz kann ich das noch nicht sagen, da muss ich noch ein wenig differenzieren, vor allem die Ladenumsätze der letzten beiden Monate noch genau berechnen. Die Verkäufe im Internet (meine eigene Homepage, ZVAB, Buchfreund, Booklooker, Antiquario, Abebooks) waren hervorragend. Im Vergleich zum Vorjahr habe ich ein Umsatzplus von gut 15 Prozent erzielt, der Dezember war der beste Monat seit fünf Jahren, und länger reicht meine Statistik nicht zurück.
Auch der Umsatz im Laden war nicht schlecht, in der Saison sind hier viele Urlauber, die sich gerne im Antiquariat umsehen. Mittlerweile habe ich unter den Urlaubern schon Stammkunden. Das liegt zum Teil daran, dass viele aus Universitätsstädten kommen, in denen die Ladenantiquariate immer weniger werden.
Der Ladenumsatz im Weihnachtsgeschäft war nicht zufriedenstellend, was an speziellen Umständen in der Leeraner Altstadt lag: drei große und gut frequentierte Läden und Restaurants haben geschlossen oder sind umgezogen, die fehlen jetzt als Magneten; dazu noch drei Wochen Schnee und Eis (da lassen die Ostfriesen das Auto in der Garage) und der Umsatzrückgang war perfekt – in der gesamten Altstadt, nicht nur bei mir.
Im Hinblick auf Ankäufe war es ein sehr gutes Jahr. Eine schöne Professorenbibliothek, eine Pfarrerbibliothek und eine Kochbuchsammlung zählen zu den erfreulichen Ankäufen, bei denen das Katalogisieren mal wieder Spaß machte und ich vieles dazugelernt habe.
Alles in allem war es ein erfolgreiches, aber anstrengendes Jahr, da ich seit März ohne Mitarbeiterin arbeite und sechs Tage pro Woche den Laden geöffnet habe. Versand, Katalogisieren, Ankäufe, Buchhaltung und so weiter finden dann in den Abendstunden statt…
Stichwort Ostfrisica: interessieren sich Ostfriesen für diese Dinge? Wenn ja, sind das Privatleute oder eher Institutionen? Und wie kommen Sie als Nicht-Ostfriese an das Thema?
Ja, Ostfriesen interessieren sich sehr dafür. Es ist verhältnismäßig viel publiziert, vor allem in den letzten 60 Jahren. Die ostfriesische Landschaft in Aurich (so nennt sich hier der Landschaftsverband) hat sehr viel, auch wissenschaftliche Literatur verlegt. Auch für die alten Ostfrisica gibt es Interessenten, obwohl da sicher das Interesse mit steigendem Preis abnimmt.
Bei mir kaufen fast nur Privatleute, historisch interessierte oder Sammler. An Institutionen gibt es die Johannes-a-Lasco-Bibliothek in Emden (deren Schwerpunkt aber auf reformierter Theologie liegt) und die Landschaftsbibliothek in Aurich. Beide werden oft mit privaten Nachlässen bedacht, was zur Folge hat, dass der größte Teil an Literatur vorhanden ist.
Ich habe mich dem Thema "Learning-by-doing" genähert. Gleich am Eröffnungstag meines Ladengeschäfts bekam ich eine Sammlung Ostfrisica, circa 400 Titel, angeboten und gleichzeitig die "Friesische Geschichte" von Ubbo Emmius geschenkt. Ich habe mich dann in die Geschichte Ostfrieslands eingelesen (nicht unspannend) und die verschiedenen Geschichtsschreiber nach und nach entdeckt. Leider gibt es eine Bibliografie nur bis 1907 (von Martin Tielke).
Und Ihre entsprechenden Katalogpläne? Ein großer Ostfrisica-Katalog wäre unter diesen Umständen vielleicht auch bibliografisch interessant?
Ich plane nach wie vor, einen Antiquariatskatalog "Ostfrisica" und einen Katalog "Plattdeutsch" zu erstellen. Für beide brauche ich – so ist mein Ansatz – circa 600 Titel und darunter einige bibliophile oder seltene Titel. Bislang war mein Problem, dass ich bei Ankäufen versuchen musste, zeitnah das investierte Geld wieder hereinzuholen. Das heißt, ich habe diese Ankäufe zügig bearbeitet, katalogisiert, im Internet und im Laden angeboten – und die besten Stücke waren gleich weg.
Erst seit Herbst 2010 habe ich einige seltene Titel auf Auktionen gekauft und sie weggestellt und verfahre wohl mit den nächsten Ankäufen aus diesen Bereichen ebenso. Was aber bedeutet, dass die Kataloge noch etwas auf sich warten lassen werden.
Vor allem im Bereich "Plattdeutsch" fehlen mir noch interessante alte Stücke, ein Katalog überwiegend mit Publikationen aus den letzten 50 Jahren ist in meinen Augen nicht sinnvoll. Als Interimslösung und Test möchte ich aber im nächsten "Gemeinschaftskatalog der Antiquare" der GIAQ einiges anbieten.
Sie sind bei Twitter & Facebook aktiv; welchen Nutzen ziehen Sie daraus als Antiquar?
Auf Twitter (www.twitter.com/domus_libri) und Facebook bin ich in erster Linie privat unterwegs. Der Nutzen für mich als Antiquar besteht hauptsächlich im Austausch mit Kollegen. Kurze, schnelle Antworten auf fachspezifische Fragen, ab und zu der Hinweis auf ein Angebot, Links zu lesenswerten Seiten im Netz. Ganz wichtig sind für mich die getwitterten Erfahrungen, die die Kollegen im Laden und im Versand machen – man steht ja doch sonst allein auf weiter Flur. Ich habe es allerdings schon erlebt, dass ich das Foto eines Neuankaufs getwittert habe und am nächsten Tag ein "Follower" im Laden stand, um dieses Buch zu erwerben.
Können Sie ein paar Twitter-Accounts nennen, denen zu folgen Sie besonders empfehlen?
Empfehlenswerte Twitter-Accounts von Kollegen: @wilsberg @owplocher @wimbauer @hoefs @rfmeyer
Die Fragen stellte Björn Biester.