Seit Anfang 2008 betreibt Axel Voigt zusammen mit Dieter Haupt die "Agentur für Medien, Druck und Organisation" (AMDO) in Heilsbronn.
Was sind Ihre Dienstleistungen für Antiquariate?
Axel Voigt: Wir begleiten seit mehr als 20 Jahren Antiquariate, Auktionshäuser und Messeveranstalter bei der Herstellung ihrer Publikationen. In dieser Zeit haben wir sehr unterschiedliche Medien realisiert. Das reicht von Antiquariatslisten und -katalogen über umfangreiche Messekataloge bis zur Erstellung von E-Books. Nach wie vor betreuen wir den kompletten Herstellungszyklus von Katalogen und sonstigen Drucksachen.
Druck und Verarbeitung sind jedoch heute stark standardisierte Verfahren. Deshalb gewinnen andere Faktoren an Bedeutung, etwa das Entwickeln und Anpassen einer gestalterischen Linie. Aktuelle Techniken bei Fotografie und Bildbearbeitung, Satz und Layout eröffnen neue Perspektiven, zugleich werden in der Druckvorstufe die Weichen für medienneutrales Publizieren gestellt. E-Books, Homepages, Apps, Internetportale, Soziale Netzwerke und personalisierte Kataloginhalte spielen für uns hier eine wichtige Rolle.
Medienneutralität und E-Publishing – welche Rolle spielt das im Augenblick im Antiquariat?
Viele Antiquariate verfügen bereits seit langem über Datenbanken, mit denen sie sich organisieren. In diesen Datenbanken befinden sich Texte, Bilder, Adressen und firmenrelevante Informationen. Das ist grundsätzlich eine gute Ausgangssituation für Medienneutralität. Um unterschiedliche Ausgabemedien, ob in gedruckter oder digitaler Form, wirtschaftlich produzieren zu können, ist eine neutrale Datenstruktur eine große Hilfe. Zugleich erfordert es einen intensiven Dialog zwischen Auftraggeber und ‑nehmer. In der Regel werden für die Katalogproduktion über eine Schnittstelle Word-Dateien oder reine Textdateien erzeugt, die dann zur weiteren Verarbeitung dienen. Auch bereits ins PDF gewandelte Daten erreichen die Druckerei auf bewährte Art. Sind jedoch weitergehende Publikationen wie E-Books, Internetinhalte oder umfängliche Personalisierungen gewünscht, wird der Weg über diese Datenformen steinig und kostenintensiv. Kaum jemand käme auf die Idee, Adressen in einem Textformat weiterzugeben. Der Austausch findet immer über Datenbanken wie Excel, Access oder Filemaker statt.
Bei Antiquariaten wird gern das Klischee der technischen Rückständigkeit bemüht. Doch wir wissen es aus unserer Praxis besser! Zahlreiche Händler nutzen die ganze Palette an Möglichkeiten, um ihre Kunden zu erreichen. Vom klassischen Ladengeschäft bis hin zu Facebook & Co. Wie sich Letzteres entwickelt, wird spannend. Vertreter jüngerer Generationen und technisch aufgeschlossener Kreise bespielen jedenfalls diese und ähnliche Kanäle intensiv und virtuos. Und wer nicht jetzt schon in den Abgesang auf das bibliophile Werk einstimmt, weiß, dass sich auch in diesem Umfeld die zukünftige Kundschaft findet.
Welche Apps könnten aus Ihrer Sicht für Antiquare von Interesse sein?
Da fallen mir sofort Bereiche ein, bei denen es um den Informationsgehalt und dessen strukturierte Aufbereitung geht. Handbücher, Adressverzeichnisse, Kataloge und Bibliografien, Auktionsinformationen und Veranstaltungsübersichten. Bislang sind solche Veröffentlichungen selten in interaktiver und kundenfreundlicher Form zu finden. Applikationen und ihr Zusammenspiel mit sämtlichen Internetwerkzeugen (unter anderem Maps): Wer sich auf diese Medien einlässt, sollte immer auf Kombinationen setzen. Ich meine damit die wechselseitige Wirkung zwischen Sozialen Netzwerken, Applikationen, Homepages und Onlineplattformen – im sinnvollen Verbund mit Printmedien. Wissensspiele können eine interessante Bereicherung für die Branche und den Nachwuchs sein. Die Frage, ob sich das ganze Engagement in klingender Münze auszahlt, ist müßig. Die nahe Zukunft wird darüber Aufschluss geben. Eines dürfte sich aber, wie immer bei neuen Entwicklungen, auch hier zeigen: Die Letzten werden nicht die Ersten sein!
Gedruckte Kataloge, ob als Einzel- oder Gemeinschaftskatalog, scheinen es immer schwerer zu haben, teilen Sie diesen Eindruck?
Die Anzahl an gedruckten Katalogen ist sicher zurückgegangen. Dennoch besinnen sich etliche Unternehmen wieder auf dieses Medium. Es bleibt die Frage, warum zahlreiche Antiquariate erfolgreich über gedruckte Kataloge verkaufen und bei anderen die Erlöse gen null gehen. Könnten wir dies schlüssig beantworten, hätten wir ständig gut gefüllte Auftragsbücher.
Wichtig ist aus unserer Sicht, Identität und Stil eines Unternehmens einprägsam darzustellen. Die Lieblosigkeit mancher Kataloge soll den Eindruck von Zurückhaltung und Kostenbewusstsein vermitteln. Das ist ein vorgeschobenes Argument! In Wirklichkeit ist die Katalogarbeit häufig eine ungeliebte Mehrarbeit. Jeder gute Kaufmann ist bestrebt, die Kosten im Rahmen zu halten. Allerdings sollte der Katalog antiquarische Werke angemessen darstellen und nicht wie Gebrauchtbücher aussehen lassen.
Ab wann lohnt sich der Aufwand für einen gedruckten Katalog?
Wenn es das wirtschaftliche Potenzial des Kunden eines Antiquariats hergibt – ab einem Exemplar. Grundsätzlich bietet sich der Digitaldruck an. Das mittlerweile hohe Qualitätsniveau und die Feinheiten der Personalisierung sind wichtige Argumente für dieses Druckverfahren. Die Bemessung einer Mindestauflage hängt von vielen Faktoren ab und lässt sich nicht pauschal beantworten. Um uns aber doch etwas festzulegen, nennen wir einmal geheftete Listen mit Seitenumfängen von 4 bis 16 Seiten, einem Endformat bis DIN A4 und einer Auflage von 100 bis 500 Exemplaren. Gebundene Kataloge bewegen sich in einer wirtschaftlichen Auflagenhöhe zwischen 50 und 400 Exemplaren. Der Pflege der Kundenadressdatei kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Hier stellen wir einen etwas nachlässigen Umgang genauso häufig fest wie akribische Sorgfalt.
Innovative Katalogkonzepte, wie sie etwa für die Hamburger Antiquariatsmesse quod libet in Kooperation mit Ihrer Firma vorgesehen waren, sind nicht angenommen worden, haben Sie dafür eine Erklärung?
Das Katalogkonzept der leider dieses Jahr nicht stattfindenden Hamburger Antiquariatsmesse quod libet sah eine starke Individualisierung vor. Die Teilnehmer sollten Gelegenheit bekommen, neben den verkaufsgesperrten Objekten für die Messe ein größeres Angebot im gedruckten Katalog zu präsentieren. Detlef Thursch folgt diesen Überlegungen schon länger mit einem "Appendix" in seinen Katalogen für die Messen in Frankfurt und Leipzig.
Als PDF oder E-Book wäre dieses Angebot auch über die Homepage des Messeveranstalters oder andere Plattformen abrufbar. Jeder Teilnehmer könnte so einen relativ kostengünstigen Sonderdruck mit individuellem Inhalt und Umfang an seine Kunden versenden. Qualität und Anzahl der erreichten Adressen ließen sich damit auch für die Messe selbst verbessern. Pilotprojekte wie dieses benötigen erfahrungsgemäß eine Vorlaufzeit und ein wenig Mut und Experimentierfreudigkeit.
Warum wird im Antiquariat eher wenig experimentiert mit Formaten und Medienkombinationen?
Dass die finanzielle Situation für die meisten Antiquare derzeit nicht einfach ist, steht außer Frage. In dieser Lage erscheint es einerseits schwer, den Blick nach vorn zu richten und innovative Ziele zu verfolgen. Damit ist diese Branche nicht allein. Andererseits habe ich schon darauf hingewiesen, dass sich oft ein zurückhaltendes werbliches Auftreten feststellen lässt. Ob dieses Verhalten den heutigen Märkten gerecht wird, bezweifle ich.
Vor einigen Jahren haben wir versucht, ein Kalenderprojekt auf den Markt zu bringen. In ansprechender Gestaltung und Ausstattung sollte ein Potpourri an herausragenden Werken vom Atlas bis zur Daktyliothek präsentiert werden. Mit Werbeeindrucken hätten sich auf diese Weise die teilnehmenden Antiquariate 365 Tage an der Wand des Kunden darstellen können. Die Resonanz war sehr gering. Wir werden demnächst noch einmal einen Anlauf starten, um individuelle Kalender und andere Ideen anzubieten.
Ich beobachte dennoch eine Vielzahl von unterschiedlichen Aktivitäten im Umgang mit dem Mix an Medien. Die interessierten Antiquare nutzen sehr kreativ und überlegt ihre Chancen. So mancher Sortimentsbuchhändler kann sich hier eine Scheibe abschneiden.
Die Fragen stellte Björn Biester.