Die Sonntagsfrage

Wie sieht das Antiquariat 2025 aus?

24. Juli 2011
Redaktion Börsenblatt
Über die Zukunft des deutschen Buchhandels wird zurzeit vielerorts engagiert diskutiert. Wie sehen die Perspektiven für das Antiquariat aus, Herr Wiedenroth?

Hermann Wiedenroth: Rigorose Energiesparmaßnahmen seitens der grünen absoluten Regierungsmehrheit fördern die Rückbesinnung auf stromunabhängige Medien. E-Books und anderer elektronischer Firlefanz sind längst wieder aus der Mode gekommen, die junge Generation hat das Buch für sich entdeckt: wie herrlich, in einem richtigen Buch zu blättern, zu lesen, zu versinken, dazu das Vergnügen, einen schönen Einband aus Leinen, Leder oder gar Pergament in der Hand zu halten, den Staub vom Farb- oder Goldschnitt zu pusten und über die Seiten zu streichen. Erste Psychologen warnen vor der neuen Lesemanie…

Entgegen allen düsteren Prophezeiungen von heute wird es auch morgen, sprich 2025 noch Antiquariate geben. Mein eigenes BÜCHERHAUS in Bargfeld dürfte sich bis dahin samt Inhaber langsam aber sicher in ein Antiquariatsmuseum verwandelt haben, ausgestattet mit über hundertfünfzigtausend Buchbeschreibungen auf altbewährten Karteikarten in hölzernen Karteischränken, dazu einer Handbibliothek fünfmal so groß wie das Lager, sodass das Arbeiten Spaß macht. Neben dem unvermeidlichen Notebook gibt es sogar eine altertümliche Schreibmaschine zu bewundern, für das Tippen von Adressen auf Briefumschläge und andere Kleinschreibereien, die mit dem Computer viel zu umständlich zu handhaben wären. Meine Büchervorräte reichen für Jahre, weiterhin angekauft werden nur handverlesene Einzelstücke möglichst aus der Zeit vor 1850, dazu Pressendrucke und seltene illustrierte Bücher des frühen 20. Jahrhunderts.

Die beiden übriggebliebenen Antiquariatsmessen – eine im Frühjahr in Süd-, eine im Herbst in Norddeutschland – besuche ich vor allem, um Kollegen zur Teilnahme am 18. Gemeinschaftskatalog der Antiquare 2026 einzuladen. Messen und Gemeinschaftskatalog werden veranstaltet vom Verein deutscher Antiquare, der sich aus dem Zusammenschluss von Arbeitsgemeinschaft, Genossenschaft und Verband gebildet hat und unter klug-diplomatischer Leitung von Aurelio Fichter (Frankfurt am Main) und Jörg Tautenhahn (Lübeck) sehr zum Wohl seiner Mitglieder tätig ist. Alljährlich verleiht der Verein unter reger Anteilnahme von Presse, Funk und Fernsehen die Koppel-Schleife für den schönsten Antiquariatskatalog und die begehrte Erlemann-Medaille für den besten Messeverkauf. Die Knupfer-Stiftung zur kumulierten Alphabetisierung sämtlicher deutscher Auktions- und Antiquariatskataloge legt ihren Jahresbericht vor und ist demnach beim Buchstaben C angekommen.

Das Durchschnittsalter der Händler erhöht sich im Stichjahr weiter, weil viele Kollegen mit mir das Rentenalter zwar erreicht oder längst überschritten haben, jedoch die Rente bei kaum einem ausreicht, um sich wirklich zur Ruhe zu setzen – ach, im Grunde will ja eh keiner so richtig aufhören. Im Sommer könnte ich mein 45jähriges Geschäftsjubiläum feiern, will damit aber lieber warten bis zur Vollendung des Firmen-Halbjahrhunderts im Jahre 2030.

Amazon hat sich 2025 längst zugunsten seines Engagements in der Gesundheits-, Immobilien- und Versicherungswirtschaft aus dem Buchgeschäft zurückgezogen.

Hermann Wiedenroth lebt und arbeitet als Antiquar und Verleger in Bargfeld Kreis Celle.