Ulrich Goerdten wurde im Januar 1935 als Sohn eines Landpfarrers in Teuchern in Sachsen-Anhalt geboren. Nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik Mitte der 1950er Jahre studierte er in Münster und West-Berlin Germanistik, Latein, Griechisch und Philosophie. Über knapp drei Jahrzehnte, bis zum 1998 erfolgten Eintritt in den Ruhestand, war er im Bibliotheksdienst an der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin beschäftigt. Seit 1991 betreibt Goerdten, der selbst mit literarischen und literaturwissenschaftlichen Publikationen hervorgetreten ist, einen Kleinverlag in Bargfeld bei Celle. Am 7. Juni wurde Goerdten in Gera zum neuen Vorsitzenden der seit 1956 bestehenden Pirckheimer-Gesellschaft gewählt, die aktuell rund 450 Mitglieder zählt. Goerdten tritt die Nachfolge von Wolfgang Kaiser an, der das Amt seit 2000 inne hatte.
Herr Goerdten, wie lässt sich der gegenwärtige Zustand der Pirckheimer-Gesellschaft aus Ihrer Sicht beschreiben?
Ulrich Goerdten: Die Pirckheimer befinden sich in einer Konsolidierungs- und Wachstumsphase. Die Finanzierung der "Marginalien" und der Jahresgaben ist stets neu zu sichern. Die regionalen Pirckheimer-Gruppen, deren Hauptzahl in den "Neuen Bundesländern" angesiedelt ist, arbeiten eng zusammen mit den Neugründungen in den "Alten Bundesländern". Die Veranstaltungen, Besichtigungsfahrten und Jahrestreffen sind gut besucht und verlaufen in anregender und lebendiger Atmosphäre. Die Gesellschaft ist gut lebensfähig und hat das Potential, sich weiterhin positiv zu entwickeln.
Was hat Sie bewogen, nach Wolfgang Kaisers Rückzug für den Vorsitz der Pirckheimer zu kandidieren?
Sammler, die mich aus meinen Veröffentlichungen und aus Vorträgen beim Berliner Bibliophilen Abend kennen, sind auf die Idee gekommen, mich zur Kandidatur für den Vorstand der Pirckheimer-Gesellschaft zu überreden. Anfangs habe ich bei aller Freude über die Wertschätzung, die mir damit gezeigt wurde, doch lange gezaudert, weil ich stark auf die 80 zugehe und noch einige editorische, bibliografische und andere Projekte zu Ende bringen will, was durch ein solches Ehrenamt mindestens verzögert wird. Andererseits hatte es auch etwas Verlockendes, mit einem gut zusammengesetzten Vorstand und mit aktiven und engagierten Mitgliedern der Gesellschaft die anstehenden Aufgaben anzugehen.
Was sind Ihre Pläne als Vorsitzender?
Meine Vorgänger im Amt haben vorzügliche Arbeit geleistet, und ich könnte mich darauf beschränken zu sagen, dass ich im gleichen Geiste weiterwirken will. Ich hoffe aber, dass ich auch eigene Impulse geben kann. Das wichtigste Ziel ist die Integration der verschiedenen "Richtungen" und Tendenzen, Ost und West müssen noch mehr zusammenwachsen. Jüngere Leute müssen für die Pirckheimer gewonnen werden. Das wird nur gelingen, wenn der traditionelle Sammel-Kanon erweitert wird, wenn neuere Entwicklungen in den Künsten einbezogen werden und wenn der Blick etwas mehr auf das einschlägige Geschehen im Ausland gerichtet wird.
Welche Zukunft haben vereinsförmig organisierte Bibliophilen-Gesellschaften (mit Jahresgaben, einem Publikationsorgan usw.) nach Ihrer Einschätzung?
Unter dem Dach eines "Eingetragenen Vereins" können Aktivitäten, wie sie von den Pirckheimern und anderen bibliophilen Vereinigungen betrieben werden, am besten gedeihen. Es hängt sehr von der Kompetenz und dem Engagement Einzelner ab, ob ein Verein wächst und blüht oder ob er verkümmert. Unter diesem Aspekt sehe ich durchaus gute Zukunftschancen auch für die Pirckheimer.
Interview: Björn Biester