Phantominds, Hamburg

Der Online-Thinktank

22. Juli 2015
Nils Kahlefendt
Produktentwicklung in digitalen Zeiten: Das Hamburger Startup Phantominds liefert neue, innovative Geschäftsideen per Crowd. Ein Ansatz, von dem auch die Buchbranche profitieren könnte.

Für Mirko Bendig begann alles mit einer typischen „Beraterfrustration“: Als der heute 34jährige Volkswirt parallel zu seiner Promotion als Consultant für eine Hamburger Unternehmensberatung arbeitete, stieß er sich immer häufiger an einem Problem: „Warum verkaufen wir Produkte aus der Schublade, die oft am Kunden vorbei gehen? Wieso binden wir Kunden nicht schon früh aktiv in den Innovationsprozess ein – in einer Zeit, in der alles von Open Innovation, Schwarmintelligenz und Crowdsourcing-Modellen spricht?“ Anfang 2013 mailte Bendig seinem Kollegen Alexander Peter ein paar Folien mit seinen Überlegungen, in Mittagspausen und beim Feierabendbier wurde weiter getüftelt. Ein halbes Jahr später kündigten die beiden – und gründeten ihr eigenes Startup: Phantominds.

Die Idee besticht: Auf ihrer Plattform bieten Bendig und Peter Unternehmen an, sich – gegen Gebühr - durch eine offene Community umsetzbare Innovationen bauen zu lassen. Ein Online-Thinktank, zugeschnitten auf die Bedürfnisse in Zeiten des digitalen Wandels. Vor allem Konzerne und Mittelständler aus klassischen Branchen, so Bendig, haben heute Schwierigkeiten, Innovationen ausreichend schnell zur Marktreife zu bringen. Einem notorischen Fachkräftemangel stünden immer kürzere Produkt-Zyklen gegenüber, die Flopraten sind hoch.

 

Kollaborativ entwickelte Produktideen

Phantominds verspricht innovationsmüden Unternehmen „Vorschläge, die Ihre Kunden wollen und kaufen“ – und setzt dabei auf die Community der kreativen Köpfe. Mehr als 2500 Mitglieder haben sich seit dem Start der Plattform registrieren lassen. Auf der Website werden die Produktwünsche der Firmen ausgeschrieben, in Ideenwettbewerben („Challenges“) treten die Mitglieder dann gegeneinander an. Bendig und Peter moderieren den Prozess – von einer eher kommentar-basierten, offenen Brainstorming-Phase bis zur Formierung von virtuellen Projekt-Teams, die gemeinsam an Lösungen arbeiten. Die stärksten und umsetzungsfähigsten Geschäftsideen werden anschließend von der Community bewertet.

Als ersten Kunden haben Bendig und Peter zum Launch der Plattform den Cluburlaub-Anbieter Robinson, eine Tochter des in Hannover ansässigen Reisekonzerns TUI, gewinnen können: Robinson hat die Phantominds-Crowd mit dem Konzept für eine „emotionale Reisesuchmaschine“ beauftragt, die der bislang eher faktenbasierten Reisezielsuche im Netz zur Seite stehen könnte. Für die drei besten Ideen hat TUI je 1000 Euro ausgelobt – ziemlich günstig, wenn man bedenkt, dass die zu entwickelnde Geschäftsidee hier gleichsam schon von der potenziellen Zielgruppe getestet wird. „Unsere Community-Mitglieder ticken nicht alle gleich: Manche beteiligen sich nur des Geldes wegen, andere haben Spaß am Tüfteln mit Gleichgesinnten.“ Wichtig sei, dass die Challenges von Anfang an fair und transparent kommuniziert werden.

Das Henne-Ei-Problem

Die nächsten Etappenziele für das Hamburger Startup, das derzeit aus fünf festen Mitarbeitern besteht, sind klar: Bis zum Jahresende soll sich die Community auf 10.000 Mitglieder vergrößern. Doch dazu brauch es dringend neue Projekte. „Das klassische Henne-Ei-Problem“, lacht Bendig. Eine Woche nach Beginn des Robinson-Club-Projekts startete die zweite Crowdsourcing-Challenge. Gesucht: Ein Geschäftsmodell für kitaCENTER online, eine in München beheimatete Plattform, die sich im Bereich der Kita-Suche deutschlandweit etablieren möchte. Parallel bauen die Phantominds Such-Algorithmen, um die Crowd stärker zu machen. „Uns geht es nicht um eine Million kreativer Köpfe – sondern um die richtigen.“ Dazu wird weiter an der Software geschraubt; neue Features sollen die Plattform weiter nach vorn bringen. 

 

Ein Pilot für die Buchbranche? Warum nicht!

Fragt man Mirko Bendig, der während seines Studiums als Entwicklungshelfer in Rumänien gearbeitet und am Beispiel Ghanas und Sri Lankas über Mikrokredite promoviert hat, nach der wichtigsten Erfahrung der letzten zweieinhalb Jahre, muss er nicht lange überlegen: „Das wichtigste: Mit der eigenen Idee so früh rausgehen wie nur möglich! Mit vielen Leuten sprechen, vor allem natürlich mit potenziellen Kunden. Man kann sich dabei eine blutige Nase holen – aber Feedback schärft das eigene Bild. Auch wir waren anfangs viel vager.“ Aus dieser Motivation heraus hat sich Bendig auch an der Eisbrecher-Tour des Börsenvereins beteiligt; seit kurzem ist Phantominds Mitglied im Startup Club. Eine Initiative, die Bendig zeigt, dass in der als konservativ geltende Buchbranche einiges in Bewegung gekommen ist. Die Teilnahme an den Berliner Buchtagen hat diesen Eindruck nur noch verstärkt. „Wir würden es spannend finden, an neuen digitalen Geschäftsmodellen für Buchhandlungen und Verlage mitzubauen. Das Zeitalter des Buchs ist ja noch lange nicht vorbei.“

Phantominds UG

Humboldtstraße 67a

22083 Hamburg 

Web: http://www.phantominds.com  

Blog: http://blog.phantominds.com