Der ukrainische Buchmarkt 2025

Chronologie der Zerstörung

10. Oktober 2025
Iryna Baturevych

Es ist Krieg in der Ukraine - dennoch sind hier im ersten Halbjahr immer noch 6.680 neue Buchtitel erschienen. Iryna Baturevych mit einem Lagebericht, der aktuelle Markterfolge mit Romantasy beschreibt, aber auch die massiven Angriffe auf die publizistische Infrastruktur des Landes. 

Kharkiv, Ukraine - Krieg in Europa

Zerstörte Gebäude in Kharkiv

Der Beitrag, übersetzt von Ganna Huemer, ist zuerst auf der ukrainischen Branchenplattform Chytomo.com erschienen (mehr dazu hier).

Viele Verluste - doch die Arbeit geht weiter

Für die ukrainische Buchbranche war das vierte Jahr der groß angelegten russischen Invasion eines der schwierigsten. Trotz fortlaufender schmerzhafter Verluste, abnehmender Unterstützung aus den Vereinigten Staaten und einer dadurch noch mehr unter Druck geratenen Europäischen Union, noch intensiveren Drohnen- und Raketenangriffen auf die zivile Infrastruktur und anhaltendem Mangel and Personal und Lesern, wurde die Arbeit fortgesetzt.

Dieser Bericht enthält nicht viele gute Nachrichten, aber er ist ein Versuch die Lage realistisch einzuschätzen und soll dazu beitragen eine notwendige Diskussion anzustoßen.

Chronologie der Zerstörung ukrainischer Literatur im ersten Sommermonat

In den ersten sechs Monaten des Jahres 2025 hat Russland die Buchinfrastruktur der Ukraine besonders aggressiv angegriffen. Das Jahr begann mit der Zerstörung der Räumlichkeiten des Nationalen Schriftstellerverbandes der Ukraine, und seitdem haben wir wiederholt von Beschädigungen an Literaturmuseen, Buchhandlungen, Lagerhäusern und Druckereien in Charkiw, Odesa und Kyjiw berichtet. Im Juni und Juli intensivierten sich die Angriffe auf zivile Infrastruktur.

Allein in den ersten zehn Junitagen meldete die ukrainische Luftwaffe alle 24 Stunden durchschnittlich 256 auf ukrainische Städte abgefeuerte Raketen. Schäden an der Buchinfrastruktur:

  • 3. Juni: Ein russischer Angriff auf Charkiw führte zur Zerstörung von Büchern des Krokus-Verlags.
  • 6. Juni: Die Skovoroda-Bibliothek in Kyjiw wurde beschädigt.
  • 16. Juni: Russland zerstörte die Räumlichkeiten des Verlags Ukrainsky Priorytet und sein Lager, die Buchhandlung Book.ua und die Räumlichkeiten des Verlags Їzhak.
  • 3. bis 4. Juli: Eine russische Rakete beschädigte das Lager des Verlags Nash Format und der Druckerei MaisterKhyh erheblich.

Was veröffentlicht wurde

Die Buchkammer der Ukraine erhielt Berichten zufolge in den ersten sechs Monaten des Jahres 6.680 Buchtitel, (die mit einer Gesamtauflage von 13,2 Millionen Exemplaren erschienen sind). Das entspricht in etwa dem Vorjahreszeitraum. Verlage und Druckereien verzeichneten jedoch einen massiven Rückgang.

Derzeit gibt es keine bestätigten Hinweise auf einen Rückgang der Anzahl von veröffentlichten Büchern, aber führende Verlage melden einen Umsatzrückgang von bis zu 20 %. Im Frühjahr, traditionell eine "schwache" Verkaufssaison, beeinflussten Buchmessen und Price-dumping durch Buchhandelsketten den Umsatzrückgang der Verlage. Die Situation hat sich jedoch über den Sommer nicht verbessert. Es gibt vielfältige Erklärungen für den Rückgang an Buchverkäufen. Emotionale Erschöpfung und eine Abnahme der Kaufkraft der Leserschaft gehören zu den häufigst genannten Gründen.

Trotzdem bleibt der Buchmarkt stabiler als andere kreative Branchen. "Im Vergleich zum Musikmarkt, in dem ich ebenfalls aktiv bin, scheint die Buchbranche stabiler zu sein", sagte Dmytro Feliksov, Eigentümer und CEO der Buchhandlung Readeat und von Concert.ua. "In den Jahren 2022–2023 erlebten wir eine Renaissance der ukrainischen Kultur. Die Nachfrage nach allem, was ukrainisch war, einschließlich Büchern, war emotional und wurde durch die Abschirmung des Marktes vor russischen Inhalten durch die Regierung noch verstärkt. In den Jahren 2024–2025 ist die Entscheidungsfindung rationaler geworden. Es reicht nicht mehr aus, nur ukrainisch zu sein. Die Gründe für die Wahl dieses oder jenes Produkts sind die Qualität der Inhalte, die Einbindung des Publikums, professionelle Kommunikation und die gezielte Schaffung von Nachfrage. Dieser Trend ist sowohl in der Musik- als auch in der Buchbranche zu beobachten. Und dies ist nun ein ernstes Spiel, bei dem nur diejenigen gewinnen werden, die wirklich in Weiterentwicklung investieren."

Niemand wählt eine Druckerei aus Gründen der Solidarität; es ist immer noch billiger, in asiatischen Ländern zu drucken.

Oleksandr Popov, Druckerei Unisoft

Rückgang der Druckauflagen ist bislang nicht signifikant

Die Druckerei Unisoft verzeichnet einen Rückgang der wöchentlichen Aufträge für den Buchdruck. Ihr Direktor Oleksandr Popov sieht dies als recht besorgniserregendes Zeichen, merkt jedoch an, dass im Fall von Unisoft (die Firma druckt rund 9 Millionen Bücher jährlich) die durchschnittlichen Auflagen von 5.000 Exemplaren um einige hundert Exemplare pro Auflage "leicht zurückgegange"” sind. Die Druckerei ist für die nächsten zwei Monate ausgebucht (im Oktober 2024 war ihr Terminkalender mehr als drei Monate im Voraus gefüllt).

Es ist nach wie vor schwierig, Druckaufträge aus dem Ausland zu bekommen, obwohl die Druckerei ihre Ausrüstung kontinuierlich modernisiert, im letzten Jahr neue Maschinen angeschafft hat, über gut etablierte Logistik verfügt und Bücher nach den Standards des Forest Stewardship Council (FSC) zu drucken im Stande ist. "Niemand wählt eine Druckerei aus Gründen der Solidarität; es ist immer noch billiger, in asiatischen Ländern zu drucken."

Buchpreise

Weltweit hängt der Anstieg der Buchpreise meist mit den Kosten für Zellstoff zusammen. Eine Preiserhöhung ist zu erwarten, aber die Lieferanten halten die Preise bisher noch stabil.

Die Faktoren für den Anstieg der Buchpreise in der Ukraine sind:

Anstieg der Löhne. Dies wird eher durch die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften als durch die Angebote der Arbeitgeber beeinflusst. Für einige Arbeitskräfte gelten auch Beschränkungen durch "Reservierungsbedingungen" (vorübergehende Aussetzung der Einberufung zum Militärdienst): Verlage und Druckereien, die Reservierungen für ihre Mitarbeiter erhalten haben, mussten für alle Stellen ein Mindestlohnniveau von 490 USD / 20.500 UAH pro Monat gewährleisten (laut work.ua entspricht dies im Juli letzten Jahres dem Durchschnittsgehalt in der Ukraine; im Jahr 2025 liegt der Durchschnitt bereits bei 600 USD / 25.000 UAH.

.Strompreise. Der Druck von Büchern ist äußerst energieintensiv. Darüber hinaus kann es zu Preissteigerungen in der Logistik kommen, die mit anderen damit einhergehenden Kosten verbunden sind.

Laut Feliksov braucht der Markt nach dem Anstieg der Papierpreise um 10 % im Jahr 2024 noch eine zusätzliche Erhöhung der Buchpreise um 15 bis 20 %, "damit seriöse Vertreter und unabhängige Vertriebe in den Markt eintreten können und die Margen der Buchhandlungen steigen". Angesichts des Umsatzrückgangs versuchen Verlage und Buchhändler, die Preise stabil zu halten, da sie weitere Verluste befürchten. "Wir verstehen das, aber die Wahl zwischen Stagnation und Entwicklung ist eindeutig. Wenn die Preise nicht steigen, werden Buchhandlungen verschwinden", sagte Feliksov.

Es ist unklar, wie lange die Branche eine solche künstliche Zurückhaltung aufrechterhalten kann, und wäre lohnenswert, sich bald auf die nächste Buchpreiserhöhung vorzubereiten.

Ukrainische Verlage druckten im vergangenen Jahr 923.000 Exemplare in englischer Sprache. Das ist zweieinhalb Mal mehr als die Anzahl der in russischer Sprache veröffentlichten Bücher.

Werden die Ukrainer wirklich anfangen, auf Englisch zu lesen?

Einer der interessantesten Trends ist die Zunahme der Anzahl englischsprachiger Bücher, die in der Ukraine veröffentlicht werden. Ukrainische Verlage druckten im vergangenen Jahr 923.000 Exemplare in englischer Sprache. Das ist zweieinhalb Mal mehr als die Anzahl der in russischer Sprache veröffentlichten Bücher. Das tatsächliche Interesse an englischsprachigen Büchern lässt sich anhand der Auswahl an englischsprachigen Büchern in Buchhandlungen sowie der Anzahl der gekauften E-Books aus englischsprachigen Ländern einschätzen. Dies betreffende Statistiken liegen uns jedoch nicht vor.

Das Interesse an englischsprachigen Büchern wird auf gesetzlicher Ebene unterstützt, da eine Vielzahl von Beamten, von Polizisten bis hin zu Universitätsdozenten, Englischkenntnisse benötigen. Gleichzeitig handelt es sich bei den in der Ukraine veröffentlichten Büchern um Übersetzungen von Werken, die nicht mehr urheberrechtlich geschützt sind. Der ukrainische Verlag Folio führt beispielsweise "Der kleine Prinz" des französischen Autors Antoine de Saint-Exupéry als einen seiner englischsprachigen Bestseller auf. Die "einfache Sprache" des Buches spricht vor allem Englischlernende an.

Verlage aus Slowenien, Griechenland und anderen europäischen Ländern mit vergleichsweise kleinen Sprachgemeinschaften geben an, dass dies nur der Anfang eines Trends ist, der sich im Laufe eines Jahrzehnts zu einem Anstieg direkter Käufe englischsprachiger Bestseller entwickeln könnte, noch bevor diese in Übersetzung erscheinen. BookTok-Trends beschleunigen diesen Wandel, und die Leser möchten die angekündigten Bücher als Erste erhalten und ihre Lieblingsautoren in der Originalsprache zitieren. Infolgedessen arrangieren Verlage entweder die gleichzeitige Veröffentlichung in Englisch und den lokalen Sprachen oder erwerben die Rechte zur Veröffentlichung der englischen Version für ihren eigenen Markt, wobei immer häufiger zu letzterer Option gegriffen wird.

Aus Sicht des Marktes ist Romantasy derzeit das meistveröffentlichte und meistverkaufte Genre. Die Nachfrage ist hoch. Dies deutet auf ein gewisses Verlangen unserer Leser nach Eskapismus hin.

Ilona Zamotsna, Co-Gründerin des Vikhola-Verlags 

"Der Krieg ist noch nicht vorbei, aber die Menschen wollen sich schon davon distanzieren.“

Die Leser entscheiden sich für Belletristik, weil sie ihnen hilft, sich nach einem anstrengenden Tag zu entspannen. "Belletristik wird viel häufiger gewählt als Non-Fiction. Das sieht man an den Warteschlangen vor den Ständen von Autoren, die gerade ihre Karriere begonnen und ihren ersten Roman veröffentlicht haben. Andererseits sind auch die Standards gestiegen. Wenn der Text schlecht geschrieben ist, hilft keine Marketingstrategie", sagte Svitlana Stretovych, Mitbegründerin des Stretovych-Verlags.

Man kann "Eskapismus" als das Wort der letzten Jahre bezeichnen. Der Aufstieg von Fantasy/Romantasy ist ein globaler Trend, der teilweise durch die Ukraine ausgelöst worden zu sein scheint (durch den globalen Schock aufgrund der russischen Aggression und der Instabilität in der Welt). In den letzten zwei Jahren hat sich dieser Trend nur noch verstärkt und ist in die Ukraine zurückgekehrt, vor allem in Form von Büchern ausländischer Autoren, meist durch BookTok vermittelt.

Zu den beliebtesten Büchern des Genres gehören "A Court of Thorns and Roses" der amerikanischen Autorin Sarah J. Maas (veröffentlicht auf Ukrainisch von Vivat mit über 15.000 verkauften Exemplaren im Jahr 2024) und "Fourth Wing" von US-Autorin Rebecca Yarros (veröffentlicht von KSD mit etwa 30.000 verkauften Exemplaren im Zeitraum 2023–2024). Diese Bücher haben bereits eine treue Leserschaft und ziehen immer mehr neue Fans an.

Der Trend spiegelt sich nicht nur in ständigen Nachdrucken und Neugestaltungen der Cover wider, sondern auch in den Warteschlangen in den Buchhandlungen, wenn neue Teile der Reihen erscheinen. Die wachsende Popularität von Romantasy wird weltweit wahrgenommen und nicht nur von Verlagen, sondern von der gesamten Buchbranche anerkannt.

"Aus Sicht des Marktes ist Romantasy derzeit das meistveröffentlichte und meistverkaufte Genre. Die Nachfrage ist hoch. Dies deutet auf ein gewisses Verlangen unserer Leser nach Eskapismus hin", sagte Ilona Zamotsna, Mitbegründerin des Vikhola-Verlags. Darüber hinaus gibt es unter den Lesern hitzige Diskussionen über das Genre Dark Romance, das Gothic, Horror, Psychodrama und Romantik kombiniert und die dunkle Seite der menschlichen Natur und uneindeutige moralische Normen erforscht. Die Beliebtheit des Genres bei Teenagern wurde nach der Veröffentlichung der beliebtesten Titel im E-Book-Programm für 18-Jährige durch das Ukrainian Book Institute (UBI) lebhaft diskutiert.

Militärische Themen spielen vor dem Hintergrund dieser Buchverkäufe nach wie vor eine sehr untergeordnete Rolle in der Literaturlandschaft. Wir dokumentieren und veröffentlichen weit mehr, als die Menschen bereit sind, noch einmal zu erleben und zu lesen. Zu den Ausnahmen gehören Bücher, die den Krieg anhand persönlicher Geschichten beleuchten. "Sie funktionieren besser als Analysen oder Dokumentationen, insbesondere wenn sie in emotionaler oder fiktionaler Form präsentiert werden", bemerkt Feliksov.

Nach Angaben von Ruslana Koropetska, Chefredakteurin von UA Comix, ist das Interesse an Comics mit militärischen Themen, darunter "Idu na shturm" von Volodymyr Kuznetsov und Dartsia Zironka sowie "Symbols of Invincibility" von Bohdan Kordoba und Volodymyr Kuznetsov, zurückgegangen.

"In diesem Jahr beobachten wir einen deutlichen Rückgang des Interesses an diesen Comics. Die Leser kommen an den Stand und fragen nach 'etwas Fröhlicherem'. Das Interesse, über Krieg zu lesen, hat deutlich abgenommen. Das wirft die Frage und die Herausforderung auf, was als Nächstes zu tun ist, um die Aufmerksamkeit der Leser weiterhin aufrechtzuerhalten. Wir können das nicht vollständig ignorieren. Der Krieg ist noch nicht vorbei, die Menschen wollen sich aber bereits distanzieren", sagte Koropetska.

Kinder, die nicht lesen, werden zu Erwachsenen, die nicht lesen.

Olha Popovych, Direktorin des Indie-Verlags Kalamar

Kinderbücher verschwinden

Fast alle Verlage, die sich auf Kinderliteratur spezialisiert hatten, haben ihr Angebot über dieses Genre hinaus erweitert, da die Zahl der Kinder in der Ukraine zurückgeht und nur diejenigen, die sich durch außergewöhnliche Kreativität im Wettbewerb um das verbleibende Publikum auszeichnen, in diesem Segment bestehen können. Sie arbeiten mit Kindergärten und Schulen zusammen, starten Informationskampagnen, gehen Partnerschaften ein und bewerben sich um verschiedene Fördermittel. Die Liste zusätzlicher Tätigkeiten ist lang.

Olha Popovych, Direktorin des unabhängigen Verlags Kalamar, sagt, dass die Kinderbuchverlage in der Ukraine "nicht nur schwierige, sondern sehr schwierige Zeiten" durchleben. Nach Angaben des UNHCR vom 1. Juli 2025 befinden sich 5,6 Millionen Ukrainer als Flüchtlinge im Ausland (im Vergleich zu 6,9 Millionen sechs Monate zuvor). Zum 31. März 2025 sind die meisten von ihnen Frauen (45 %) und Kinder (31 %). 

Der Rückgang ist sowohl in physischen Buchhandlungen als auch auf Online-Plattformen zu beobachten. Auch die Besucherzahlen bei Kinderveranstaltungen sind deutlich zurückgegangen. Victor Kruhlov, Direktor des Ranok-Verlags, hebt das wachsende Interesse der Eltern an Sachbüchern für Kinder hervor. "Das benötigen unsere Kinder fürs Leben und um bestimmte Fähigkeiten zu erwerben."

Der Verlust von Lesern ist nicht nur in der Auswanderung von Menschen aus dem Land begründet, sondern auch im Rückgang des Interesses am Lesen. "Kinder, die nicht lesen, werden zu Erwachsenen, die nicht lesen. Die Einrichtung moderner und fortschrittlicher Schulbibliotheken und die Ausbildung von Lehrern könnten eine der möglichen Lösungen sein. Das Problem ist, dass das staatliche Programm zur Auffüllung der Bibliotheksbestände derzeit nicht funktioniert, und ich bin mir nicht sicher, ob es jemals wirklich ein Programm zur Auffüllung der Schulbibliotheken gegeben hat“, sagte Popovych.

Ukrainische Leser sind begierig darauf, ukrainische Autoren zu lesen

Laut Zamotsna ist die Nachfrage nach ukrainischen Autoren deutlich gestiegen, und Verlage konkurrieren nun um ukrainische Schriftsteller. "Als wir 2020 Autoren angesprochen und sie gebeten haben, ein Buch für uns zu schreiben, waren sie sehr überrascht und unsicher, ob sie das schaffen würden. Wenn wir heute einen Experten auf seinem Gebiet fragen, ob er bereit ist, ein Buch für uns zu schreiben, sagt er: 'Ich habe bereits zwei Angebote von anderen Verlagen erhalten.'"

Die Flucht in Fantasiewelten fördert psychische Gesundheit. Gleichzeitig ist die ukrainische Erfahrung einzigartig. Es geht um das Überleben unter extrem harten Bedingungen, wodurch die Leser sich mit ihren eigenen Erfahrungen identifizieren und diese verarbeiten können. Darüber hinaus handelt es sich um eine praktische Erfahrung, die für die ukrainische Sachliteratur wichtig ist. Letztendlich sind dies ukrainische Texte über den Wunsch, etwas hinterlassen zu wollen, während man unter ständiger Auslöschungsgefahr lebt.

Fonds, Bibliotheken und Buchhandel haben ihre Zuschüsse für den Kauf von Büchern für Menschen, die während der groß angelegten Invasion die Ukraine verlassen haben, reduziert.

Top-Segment Bilderbuch: Die Verkäufe im und ins Ausland

Der Verlag "Old Lion Publishing House" stellt fest, dass die Verkäufe im Ausland im Vergleich zu 2024 um 40 % zurückgegangen sind. Fonds, Bibliotheken und europäische Buchhandlungen haben ihre Programme und Zuschüsse für den Kauf von Büchern für Menschen, die während der groß angelegten Invasion die Ukraine verlassen haben, reduziert. Eine ähnliche Situation ist bei ausländischen Buchmessen und Ausstellungen zu beobachten. Eine "bevorzugte Teilnahme" ist für ukrainische Verlage in den meisten Fällen nicht mehr möglich.

Was jedoch den Verkauf von Rechten und Lizenzen angeht, bleibt die Lage vielversprechend. In der ersten Jahreshälfte unterzeichneten die beiden führenden Verlage im Bereich Rechteverkauf 124 Lizenzvereinbarungen — der Verlag "The Old Lion Publishing House" schloss 63 Verträge ab, während "Ranok" 61 Verträge (für 75 Bücher) unterzeichnete.

Laut Chytomo sind mindestens 40 Lizenzvereinbarungen kleinerer Verlage bekannt. Das Wachstum in diesem Segment ist zum Teil auf Förderprogramme wie Translate Ukraine, das Übersetzungsförderprogramm House of Europe und Tales of EUkraine zurückzuführen.

Insbesondere letzteres hat den Verkauf von Rechten auch unter Verlagen erleichtert, die zuvor nicht mit dem Lizenzverkäufen im Kinderbuch aktiv waren. Somit belief sich die Gesamtzahl der Verträge in der ersten Jahreshälfte auf über 160. Für die führenden Rechteverkäufer — Old Lion Publishing House und Ranok — liegen diese Zahlen über denen des Vorjahreszeitraums Zum Vergleich: Nach Angaben des Ukrainian Book Institute haben alle ukrainischen Verlage zusammen im Jahr 2023 mehr als 130 Lizenzvereinbarungen über das gesamte Jahr hinweg unterzeichnet.

Das Top-Segment bleibt in den meisten Fällen das Bilderbuch zusammen mit illustrierten populärwissenschaftlichen Ausgaben für Kinder. Ranok hat auch eine wachsende Nachfrage nach Literatur zum Thema Elternschaft festgestellt, während der Verlag "Old Lion Publishing House" einen Anstieg der Übersetzungen von Belletristik für Erwachsene verzeichnet — von 10 % auf fast 30 % aller Verträge in den letzten fünf Jahren.

Dieses Wachstum hängt auch mit der Unterstützung durch das Programm „Translate Ukraine“ zusammen, das 2020 vom Ukrainischen Buchinstitut ins Leben gerufen wurde, sowie mit dem gestiegenen Interesse europäischer Verlage an ukrainischer Literatur bei der Beantragung des Förderprogramms "Creative Europe".

"Der Verkauf von Rechten für Kinderbücher nimmt ebenfalls zu, aber der Verkauf von Lizenzen für die Übersetzung von Kinderbüchern ist aufgrund des starken Anstiegs der Material- und Buchproduktionskosten deutlich schwieriger geworden“, sagt Ivan Fedechko, Leiter der Rechte- und Lizenzabteilung beim Verlag "Old Lion Publishing House".

Unabhängige Verlage wie der Verlag Laboratory oder der Verlag Savchuk (beide Gewinner des Chytomo-Preises) haben ebenfalls einen Schritt in Richtung Verkauf von Rechten unternommen. Der erste Vertrag für Oleksandr Savchuk, CEO des Savchuk-Verlags, wurde unmittelbar nach der ersten Teilnahme des Verlags an der Frankfurter Buchmesse 2024 möglich.

Shitstorms - und die Erwartungshaltung der Leser

Der Verlust von 5,6 Millionen Lesern — auch wenn nicht alle davon Leser waren – ist ein erheblicher Rückschlag für die Buchbranche. Weder Stromausfälle, die Verfügbarkeit von Büchern als Unterhaltungsmedium noch das Interesse an ukrainischer Literatur im Gegensatz zu russischer Literatur konnten diesen Verlust langfristig ausgleichen. Der Wettbewerb um Leser, der bereits 2023 zugenommen hatte, hat sich verändert und der Markt ist zu einem "readers market" geworden.

Früher weckten Skandale und negative Rezensionen das Interesse an einem Buch, und für Verlage war "Schweigen profitabler" als auf solche Dinge aktiv zu reagieren. Heute werden Fehler der Verlage in gedruckten Exemplaren manuell in der Druckerei verbessert, Auflagen vernichtet, Verträge gebrochen und Selbstkritik geübt — alles, um den Verlust von Lesern zu vermeiden. 

"Als wir zuletzt auf die Meinung der Leser hörten, eine unserer Auflagen vernichteten und als Verlag irreparable Verluste erlitten, hofften wir, dass diejenigen, die die Vernichtung des Buches gefordert hatten, uns durch den Kauf unserer anderen Bücher unterstützen würden. Das ist nie geschehen. Wir wurden lediglich in den Kommentaren gelobt", sagte ein Verleger, der anonym bleiben möchte.

Trotz alledem werden Verlage in Einfluss- und Geschäftsrankings wie nie zuvor anerkannt. Die Vernichtung von Druckauflagen oder häufiger noch der Rückruf von Büchern ist die gängigste Praxis. Entlassungen von Mitarbeitern kommen aufgrund des Arbeitskräftemangels in der Branche so gut wie nie vor.

Die häufigsten Gründe für Anschuldigungen, die oft zu Shitstorms gegen Verlage eskalieren, sind:

  • Zusammenarbeit mit einem Akteur, der mit der Russischen Föderation kooperiert
  • Verwendung der russischen Sprache durch den Autor oder Schriftsteller
  • Unangemessener Einsatz von KI
  • Verstoß gegen die Arbeitsethik
  • Öffentliche Äußerungen, die Leser beleidigen könnten

Es ist erwähnenswert, dass Skandale selten zu Lösungen führen. Verstöße gegen die Arbeitsethik führen nicht zu einer besseren Unternehmenskultur oder zu mehr Transparenz bei Vertragsvereinbarungen. Diese Skandale haben keine Auswirkungen auf Verlage, die seit Jahrzehnten auf dem russischen Markt tätig sind, sich unethischer Arbeitspraktiken gegenüber Autoren und Übersetzern bedienen und seit jeher in Korruptionsaffären verwickelt sind.

Die Erwartungshaltung der Leser steigt stetig, was für die Entwicklung des Wettbewerbs eine gute Nachricht ist. Aber kann ein solcher Wettbewerb wachsen, wenn in den schlaflosen Städten Kyjiw oder Charkiw oder in anderen Städten der Ukraine beinahe alle Ressourcen erschöpft sind? Was können der Staat und die Industrie tun? Können wir uns noch auf internationale Zusammenarbeit verlassen?

Verlage und Vertriebe sagen beide, dass es an Vertrauen und langfristigen Spielregeln mangelt. Die Situation erfordert eine Diskussion sowie internationale Solidarität und Einheit, was in letzter Zeit für uns alle sehr schwierig war.

Hinweise und Veranstaltungen auf der Frankfurter Buchmesse