Der Messe-Flash
Mehr Bücher als man lesen könnte, mehr Menschen, als man ausweichen kann: Journalisten sortieren die Eindrücke: kleine Presseschau.
Besuchergewimmel
Mehr Bücher als man lesen könnte, mehr Menschen, als man ausweichen kann: Journalisten sortieren die Eindrücke: kleine Presseschau.
Besuchergewimmel
„Zwischen Genretiteln, Fachbüchern und Ratgebern scheint die Hochliteratur allmählich zum Nischenangebot, zum special interest, zu schrumpfen. Dieses Eindrucks kann man sich nicht erwehren. Aus dem versammelten Literaturbetrieb hört man denn auch immer wieder den Satz: „Literatur funktioniert nicht mehr.“ Das soll heißen, signifikante Verkaufszahlen gebe es kaum noch, wenn dann für einige Ausnahmebücher. … Im Bereich anspruchsvoller Literatur aber lasse sich kein Geld mehr verdienen, hört man. … In offene Mikrofone würde das wohl keine Verlegerin, kein Lektor sagen, um die eigenen Autorinnen und Autoren nicht zu verunsichern, deren Werke man trotz allem mit Engagement pflegt. Schon allein, weil das Neue, das, womit keiner gerechnet hat, das Interessante, der ganz andere Blick eben doch meistens aus diesen künstlerischen Sphären der Literatur kommt.
Aber die Frage stellt sich immer dringender, wie man es schaffen kann, dass die Bereiche der viel gelesenen und der ästhetisch anspruchsvollen Literatur nicht immer weiter auseinanderklaffen, zu einander fremden Subkulturen werden. Und wie sich die Kunst neben aller willkommenen Unterhaltung auf dem Buchmarkt behaupten kann. Zumal die Bedingungen des Büchermachens schwieriger werden, durch steigende Herstellungskosten, die Druckereienkrise und womöglich auch das teure Wettbieten unter den Verlagen um wenige besonders begehrte Spitzentitel im Jahr."
Marie Schmidt, Süddeutsche Zeitung, 18.10.2025
„Rund um den Hauptbahnhof ist die Welt eine andere. Menschen, denen man ansieht, dass es das Leben nicht gut mit ihnen gemeint hat, die jeden Tag darum kämpfen, eben diesen zu überstehen. Man vergisst es leicht, wenn man mal wieder davon genervt ist, wie lang die Schlange am Kaffeestand ist oder dass auf den Gängen kein Durchkommen ist, wenn ein Verlag zum Sektempfang lädt, aber es ist ein ungeheures Privileg, in den Messehallen an Tausenden von Büchern vorbeizuflanieren. Die Neuerscheinungen sind nicht zu zählen, an jeder Ecke gibt es Talks mit spannenden Autorinnen und Autoren.“
Anne Burgmer, Kölner Stadt-Anzeiger, 17.10.2025
"Vor einer Wand beim ukrainischen Stand steht ein Mann in Uniform. Er ist Verleger, aber wie viele aus dem literarischen Leben im Moment Soldat. Aber was heißt unter diesen Umständen literarisches Leben? An der Wand kleben Hunderte von Zetteln mit Namen von Schriftstellern, Lyrikerinnen, Essayisten, Verlegern, die ihr Leben im Krieg verloren haben. Eine Pinnwand des Todes.
Vielleicht kein Wunder, dass es junge Erwachsene in Fantasiewelten zieht, die ihren eigenen Gesetzen gehorchen. In einer etwas unwirtlich weiten Halle sind in kleinen hochdekorierten Hexenhäuschen die einschlägigen Labels untergebracht, Lyx, Everlove, Kyss und wie sie alle heißen, an deren Zaubertrank der Buchmarkt genesen soll. Wie an Flughäfen koordinieren Gurtabsperrungen die erwarteten Massen vorwiegend weiblicher Leserinnen, die an Schaltern wie Romantasy, Dark Romance, Spicy Erotic in bibliophil herausgeputzten Prachtausgaben den Abflug aus dem Alltag buchen. Herzklopfen im Tiktok-Takt.
Stefan Kister, Stuttgarter Zeitung, 18.10.2025
Der ikonische Satz dieser Messe fiel noch in ihrem Vorfeld. „Das Unglück muss zurückgeschlagen werden.“ zitierte die Schriftstellerin Dorothee Elmiger den Titel eines Tocotronic-Songs, als sie am Montag im Frankfurter Römer den Deutschen Buchpreis gewann. Ein selbstverständlicher Trotz liegt in diesem Satz. Bangemachen gilt nicht, trotz der Krisen dieser Welt und auch trotz der Notwendigkeit, dass viele Buchverlage derzeit gut haushalten müssen. Was sich an den Abenden dieser Messe zeigte. Kaum Partys großer Verlage, die Büfetts dürftig. Immerhin, die Möglichkeit, das Unglück zurückzuschlagen, gibt es mit Elmigers Roman „Die Holländerinnen“ tatsächlich.
Dirk Knipphals, taz 18.10.2025