Dass die Organisatoren der Eröffnungsfeier nach drei Jahren auf die immer etwas bemüht wirkende Moderation verzichteten, war eine weise Entscheidung; heuer führte eine männliche Stimme aus dem Off durch den Abend. Nach Boos betraten drei lautstark gefeierte Botschafterinnen der Poesie von den Philippinen die Bühne, Merlie M. Alunan, Mookie Katigbak-Lacuesta und Marjorie Evasco; auf die Dichterinnen folgten der Frankfurter OBM Mike Josef, der 100 Jahre Neues Frankfurt, das Städtebauprogramm seines Vorgängers Ludwig Landmann (1868-1945), feierte, und Armin Schwarz, Hessischer Minister für Kultur, Bildung und Chancen, mit glückenden, aber etwas schulfibelhaften „Wir schaffen das“-Geschichten.
Sodann der erste Auftritt des neuen Kulturstaatsministers Wolfram Weimer auf einer Frankfurter Buchmesse. Weimer, der erst kürzlich den „Weimatar“ vorgestellt hatte – den ersten Avatar eines deutschen Regierungsmitglieds – schien für einen Moment unter die Hobbypoeten gegangen zu sein. Doch es handelte sich um ein KI-Gedicht, ausgespuckt nach Eingabe der Stichworte „Buch“, „Frankfurt“ und „Gedicht im Rilke-Stil“. Mit seinem Pseudo-Rilke-Auftritt deutete Weimar an, was Autorinnen und Autoren demnächst bevorstehen könnte: „KI übermäht die Wiesen unserer novalishaften blauen Blumen und verarbeitet die Ernte zu industriellen Produkten.“ Ein Vorgang, den Weimer „geistigen Vampirismus“ nennt. „Data-Mining“ ist für den Kulturstaatsminister ein Euphemismus, der suggeriert, dass die großen Tech-Giganten so etwas wie die legitimen digitalen Nachfahren von Bergbau-Unternehmen seien, ganz so, als hätten sie eine Lizenz.