Mitgliederversammlung

PEN Berlin: Vielfalt der Meinungen

18. Dezember 2023
von Börsenblatt

PEN Berlin hat am Freitag an der Humboldt Universität zu Berlin ihre zweite Mitgliederversammlung in Präsenz abgehalten. Neben verabschiedeten Resolutionen gegen Antisemitismus und für Kunstfreiheit gewann die Autorenvereinigung 68 neue Mitglieder dazu. Im Leitungsorgan des Vereins begrüßte PEN Berlin die Journalistin Doris Akrap und die Schriftstellerin Dana Grigorcea. 

Board-Mitglieder Doris Akrap (links) und Simone Buchholz – nicht auf der Mitgliederversammlung, sondern auf dem Kongress tags darauf. 

Die Sprecher Eva Menasse und Deniz Yücel bedauerten die Austritte einiger Mitglieder, die in den vergangenen Wochen im Zuge der Auseinandersetzung um den Nahostkonflikt für mediale Aufmerksamkeit gesorgt hatten, bekräftigten aber den Anspruch auf politische Vielfalt: "Wir nehmen die – sehr unterschiedliche, auch gegensätzliche Kritik aus Teilen der Mitgliedschaft ernst. Und ich denke, dass die konstruktiv geführte Debatte auf der Mitgliederversammlung ein großer Schritt war, künftig mit internen Meinungsverschiedenheiten besser umzugehen als zuletzt", sagte Deniz Yücel. "PEN Berlin wollte nie eine Gesinnungsgemeinschaft sein. Daran halten wir fest. Und wir erinnern daran, dass dieser Verein vom Engagement seiner Mitglieder lebt, wofür wir uns bei allen, die uns in den letzten Wochen unterstützt haben, herzlich bedanken."

Zuletzt war Historiker und früherer Verleger Ernst Piper aufgrund seiner Kritik an der israelkritischen Haltung der Co-Vorsitzenden Eva Menasse und der US-Philosophin Susan Neiman ausgetreten. Außerdem ausgetreten sind auch Julia Franck, Ramona Ambs, Richard Chaim Schneider und Michael Wuliger.

Personeller Zuwachs

Die Versammlung wählte 68 neue Mitglieder hinzu, davon 43 Frauen. In den PEN Berlin aufgenommen wurden unter anderem die Schriftsteller:innen Nava Ebrahimi, Deborah Feldman, Charlotte Gneuß, Navid Kermani und Fiston Mwanza Mujila, die Dramatikerin Sivan Ben Yishai, der Lyriker Martin Piekar, die Publizisten Hamed Abdel-Samad, Bernd Stegemann und Sophie Passmann, der Historiker Per Leo und der Philosoph Omri Boehm. Damit wächst der Verein auf rund 650 Mitglieder – und auf einen Frauenanteil von 49 Prozent.

Ins Board, das Leitungsorgan des Vereins, wählte die Mitgliederversammlung anstelle der ausgeschiedenen Schriftstellerinnen Ronya Othmann und Julya Rabinowich die Journalistin Doris Akrap (taz) und die Schriftstellerin Dana Grigorcea ("Die nicht sterben") nach.

Bekenntnis zu Vielfalt der Meinungen

Die Mitgliederversammlung beschloss mit großer Mehrheit zwei Resolutionen. Unter dem Titel "Solidarität mit Jüd:innen in Deutschland, Israel und überall" wird unter anderem der Dachverband PEN International kritisiert, er habe nach dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober "keine Empathie für die israelischen Opfer erkennen" lassen. Der PEN Berlin stehe "für den freien, fairen, pluralistischen, offenen Austausch unterschiedlicher, auch unvereinbarer Positionen", was jedoch kein "Recht auf Hate Speech und Gewaltaufrufe" bedeute.

In der anderen als "Gegen gesellschaftliche Polarisierung und illiberale Tendenzen im Kulturbetrieb" betitelten Resolution wird dazu ermahnt, an der "vielfältigen Kunst- und Wissenschaftsszene" festzuhalten, die auch Projekte und Forschungen zulassen müsse, die nicht allen gefielen. Meinungs- und Kunstfreiheit bedeuteten kein Recht auf Widerspruchsfreiheit, jedoch gebe "es einen kategorialen Unterschied zwischen Kritisieren und Absagen".

"Beide Resolutionen betonen, bei etwas unterschiedlicher Akzentuierung, das Gemeinsame und nicht das Trennende", sagte Sprecherin Eva Menasse, "allen voran sind sie ein starkes Bekenntnis zur Vielfalt der Meinungen, innerhalb des Vereins wie für unsere Gesellschaft – und damit das, was man zur Zeit gar nicht oft genug wiederholen kann."

Die Themen des öffentlicher Kongresses

An dem vergangenen Samstag fand der zweite öffentliche Kongress des PEN Berlin statt. Auf Podiumsveranstaltungen ging es um literarische wie um gesellschaftliche und politische Themen. Eine Gesprächsrunde wurde mit Israelis und Palästinenser:innen besetzt, in einer anderen wurde Antisemitismus und Rassismus in der Einwanderungsgesellschaft thematisiert. Die Aktivistin Sareh aus dem Iran, gegen deren Inhaftierung und Todesurteil PEN Berlin protestierte, sprach zum ersten Mal nach ihrer Freilassung in Berlin.