Jahreshauptversammlung LV SaSaThü

Willkommen und Abschied

20. Juni 2025
Nils Kahlefendt

Kaufzurückhaltung, Nachwuchssorgen, KI, Hoffnung auf New Adult und Vorstandswahlen: Die 35. Hauptversammlung des Landesverbandes SaSaThü im Börsenverein des Deutschen Buchhandels war über weite Strecken business as usual – sollte sich aber nicht darin erschöpfen.

Bei einer Abstimmung im Landesverband LV SaSaThü sieht man erhobene rote Abstimmungskarten

"Wer andere treiben will, muss selber laufen." Was da zu Anfang der 35. Hauptversammlung des Börsenvereins-Landesverbands Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (SaSaThü) formuliert wurde, ist in Leipzig ein feststehendes Ritual, wie Kohls Saumagen oder Merkels Raute. Helmut Stadeler, als Landesverbands-Vorsitzender seit 2010 – deutlich länger als der Pfälzer und die Ostdeutsche – im Amt und am Ende des Tages für weitere drei Jahre bestätigt, sucht sich für seinen Jahres-Rückblick gern eine Spruchweisheit aus. Diese war vieldeutig wie der Inhalt eines Glückskekses, und was man herauslesen konnte, blieb so janusköpfig wie die Versammlung denkwürdig. Die Ehrenmitglieder Martin Holtermann und Wilfried Bengsch, die es sich nicht nehmen ließen, im Haus des Buches dabei zu sein, hatten derlei wohl noch nicht erlebt.

Nahaufnahme eines Mikrofons mit unscharfem Hintergrund

Zunächst jedoch: Business as usual. Stadeler widmete sich in seinem Vorstandsbericht mäßig kritisch der EU-Entwaldungsverordnung ("Wir kämpfen gegen Bürokratiezunahme, können sie aber nicht immer verhindern"); gegen den aus dem Auditorium geäußerten Vorwurf, der Börsenverein agiere in dieser Sache des facto als "zahnloser Tiger", dessen Einfluss auf Entscheidungsträger in Brüsseler und Straßburger Hinterzimmern minimal sei, argumentierte der ebenfalls nach Leipzig gekommene Börsenvereins-Justiziar Christian Sprang: Um die für weite Wirtschaftsfelder aufgelegte EUDR zu stutzen, habe ein einzelner Branchenverband, trotz allem Engagement, nicht die Möglichkeiten.

Zurückhaltendes Konsumverhalten und die Auswirkungen der Digitalisierung schlagen in den (gar nicht mehr so) Neuen Bundesländern besonders durch: Hier haben die Unternehmen deutlich weniger Rücklagen und Reserven, kleine Buchhandlungen etwa kämpfen mit niedrigen Margen, die den Betrieb oft unwirtschaftlich machen, unattraktive Innenstädte tun ein Übriges. Nicht wenige Mitglieds-Buchhandlungen mussten 2024 den Betrieb einstellen; Firmen-Übergaben – vom Landesverband nach Kräften gefördert – glücken nicht immer. Stadelers Appell "Bilden Sie aus!" nimmt seit Jahren an Dringlichkeit zu – Initiativen wie der Nachwuchs-Nachmittag "Book Future", der im Leipziger Haus des Buches im Frühjahr in eine neue Runde ging, sind Gold wert.

Trend-Themen KI und New Adult

"Zukunft ist gut für alle" postulierte der Spaß-Politiker Dr. Udo Brömme einst in der Harald Schmidt Show. Bezogen auf Digitalisierung und KI könnte man es eher mit Gorbatschow und seinem Spruch "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben" halten. In der Fachgruppenversammlung Herstellender Buchhandel sprach Céline Lorenz, ehemalige Pädagogin und heute Lektorin beim Schulbuchverlag Militzke über "Lektoratsarbeit mithilfe von ChatGPT". Ein Trend-Thema, über die Hälfte der Verlegerinnen und Verleger im Auditorium arbeitet bereits mit KI. Sollen Bildungsmedien, die unter Verwendung der fleißigen Helferlein erstellt werden, eigens gekennzeichnet werden? Ein ethischer Ringelpietz, da die dahinterstehenden Programme bereits oft unter Umgehung des Urheberrechtsschutzes erstellt werden? Und kommt die ach so "günstige Intelligenz" angesichts der hohen Qualitätsstandards, die Verlage an sich selbst stellen, am Ende nicht sogar teurer? Fragen über Fragen, die man gern ausführlicher diskutiert hätte. Denn klar ist: KI ist gekommen, um zu bleiben. In der Fachgruppe Verbreitender Buchhandel sprachen Magdalena Möller (Buchhandlung Ludwig) und Susan Poppitz (Lyx) über ein zweites Trend-Thema, von dem sich viele in der Buchbranche wahre Wunderdinge erhoffen: "Mit New-Adult-Büchern junge Zielgruppen für die Buchhandlung gewinnen".

Restbestand von zehn Büchern

Stephanie Jacobs, Leiterin des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig, berichtete übers making-of des Buches "Zwischen Zeilen und Zeiten" (Wallstein), das anlässlich des 200. Geburtstag des Börsenvereins erschienen ist. Zum 100jährigen Jubiläum gab es ein Buch des Börsenblatts, zum 175. eine wissenschaftliche Festschrift in Leinen – diesmal sollte es ein essayistischer Zugang sein, eine "andere" Kultur- und Wirtschaftsgeschichte, leicht und locker zu lesen, verabreicht in homöopathischen Dosen á 2.800 Zeichen: eine echte Herausforderung für die Autorinnen und Autoren. 1.500 Exemplare der ersten Auflage waren nach drei Wochen weg, eine zweite Auflage ist wegen der aufwändigen Herstellung kompliziert. Jacobs lockte mit dem Restbestand von zehn Büchern. 

Ein Einwurf vor den Wahlen

Die Wahl des Vorsitzenden und des Vorstands des Landesverbands für die Amtszeit 2025 bis 2028 sind eigentlich ein Routine-Vorgang. Für letzteren kandidierten acht Kolleginnen und Kollegen: Aus den Verlagen waren das Jeannette Bauroth (second chances, Steinbach-Hallenberg), Peter Gerlach (Hasenverlag, Halle/Saale), Steffen Knabe (Knabe Verlagsgruppe; Weimar), Jens Korch (Edition Wannenbuch/Paperento, Chemnitz) und Michael Wolf (Militzke, Magdeburg). Aus dem Sortiment bewarben sich Daniela Bardt (Linden-Buchhandlung, Leipzig), Peter Peterknecht (Peterknecht, Erfurt) und André Mannchen (Buchhandlung Schkeuditz). In einer kurz gehaltenen persönlichen Intervention vor dem eigentlichen Wahlakt machte Verleger Mark Lehmstedt öffentlich, dass er dem studierten ITler Mannchen "meine Stimme nicht geben werde" – ein zulässiger, aber doch von manchem als immerhin ungewöhnlich empfundener Vorgang. Bei der anschließenden geheimen Wahl bekam Mannchen 19 Ja- und 21 Nein-Stimmen bei 13 Enthaltungen (insgesamt. wurden 53 Stimmen abgegeben). Mannchen ist somit nicht im neuen Vorstand des Landesverbands vertreten.

Gruppenbilde des Vorstands Landesverband LV SaSaThü ab 2025

Der neue Vorstand des Landesverbands: v. l.: Susann Krahl, Heike Strecker, Peter Peterknecht, Steffen Knabe, Peter Gerlach, Anne Friebel, Jeannette Bauroth, Jens Korch, Daniela Utecht, Helmut Stadeler.
Nicht im Bild: Daniela Bardt (Linden Buchhandlung) und Micheal Wolf (Militzke Verlag), die leider nicht an der Hauptversammlung teilnehmen konnten.

Zwei Abschiede

Für zwei Vorstands-Mitglieder war die HV in Leipzig ein Abschied, das Farewell hätte nicht unterschiedlicher ausfallen können: Klaus Kowalke sah vom Podium gewissermaßen seine letzte Sitzung als stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands vorüberziehen; der bestens vernetzte Chemnitzer wird Ende September bei den Vorstandswahlen auf Bundesebene antreten. "Zwar wieder mehr Frankfurt als Leipzig, aber Leipzig bleibt natürlich auf der Agenda", postete Kowalke auf Facebook.

Auch Mark Lehmstedt trat nicht wieder als Fachgruppen-Leiter an – und zitierte beim Abgang ausführlich einen Meinungsbeitrag des neuen Kulturstaatsministers Wolfram Weimer aus der "Süddeutschen", der jüngst Wellen geschlagen hatte ("Verteidigt die Freiheit", SZ vom 5. Juni): Weimer hatte darin gefordert, die "Korridore des Sagbaren, Erkundbaren und Darstellbaren zu weiten, statt sie zu verengen". O-Ton Weimer: "Nach wie vor entsteht Kunst auf dem Resonanzboden einer vielfältigen Gesellschaft mit unzähligen mentalen Strömungen und schert sich nicht um Vorgaben, Vereinnahmungen oder Verbote. Gerade deshalb muss sie gefördert werden. Aber eben nicht als politische Echokammer oder Bootcamp des vermeintlich besseren Bewusstseins. Egal, ob von links oder rechts." Als Praxis-Anwendung hatte Lehmstedt 50 Exemplare des Romans "Abkehr" von Birk Meinhardt gekauft und als give-away ausgelegt. Der zweifache Kisch-Preisträger Meinhardt, der sich vor einigen Jahren im Streit von der "Süddeutschen" getrennt hatte und darüber einen Bestseller schrieb ("Wie ich meine Zeitung verlor"), hat für "Abkehr" eigens einen Verlag gegründet – mit dem sprechenden Namen Vabanque.

Ausklang mit Grillgut

Zu Ende ging dieser Tag, der ein paar wenige Male an unsere oftmals nur noch durch Notverbände zusammenhaltende Gesellschaft erinnerte, schiedlich-friedlich: Zum Sommerfest bei Bier und Grillgut waren auch Astrid Böhmisch von der Leipziger Buchmesse und Vertreter aus Wirtschafts- und Kulturverwaltung der Stadt Leipzig gekommen, übereinstimmenden Nachrichten zufolge soll ausgesprochen textsicher gesungen worden sein. Wer aber aus dem überm Rost aufsteigenden Rauch Buchstaben zu einer Satzgirlande sich formieren sah – "Wer andere treiben will, muss selber laufen" – ist vermutlich einer Fata Morgana aufgesessen.