Presseschau

"Esra", Booker-Preis

17. Oktober 2007
von Börsenblatt
In der "taz" wertet Rainer Dresen das Urteil im Fall "Esra" als "deutlichen Fortschritt für die Kunstfreiheit". Weiteres Thema in den Feuilletons: Der Booker-Preis für Anne Enright.
"Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Roman "Esra" bestätigt die bisherige Rechtsprechung zum Schutz der Intimsphäre - und verbessert dennoch auch die Rechtslage für Schriftsteller", sagt der Verlagsjurist Rainer Dresen in der "taz". "Versuchen Sie als Verlagsjurist, alle Risiken auszuschließen? Nein, ein Buch das völlig geglättet ist, interessiert die Leser ja auch nicht. Deshalb nehmen wir als Verlag gewisse Risiken in Kauf. Angestellte Verlagsjustiziare sind dabei risikofreudiger als externe Anwälte, die selbst das Haftungsrisiko tragen. Verändert das "Esra"-Urteil nicht doch das Klima in den Verlagen? Das mag sein, auch weil die Berichterstattung so aufgeregt war. Dabei wird allerdings übersehen, dass das Verfassungsgericht die Rechtslage teilweise sogar liberalisiert hat. Wenn sich jemand in einer Romanfigur einfach nur zu negativ porträtiert sieht, dann kann dies künftig nicht mehr als Verletzung des Persönlichkeitsrechts beanstandet werden. Die Richter haben betont - und das ist neu -, dass es bei Romanfiguren eine Vermutung dafür gibt, dass die Handlung erfunden ist." Die Irin Anne Enright erhält für die Novelle "The Gathering" den Booker-Preis. "Trotz Enrights überzeugend verstörender Art Sexszenen zu schildern, ist aber gerade dieses Werk keine Meisterleitung", findet Hannes Stein in der "Welt". "Für all dies ist ein Geheimnis verantwortlich, auf das wir auf den ersten Seiten des Romans mit der Nase gestoßen werden – am Schluss enthüllt die Autorin es mit Trompetentusch und Paukenwirbel: Liam ist als kleiner Junge im Haus seiner Großmutter vom Vermieter sexuell missbraucht worden. Die Schwester, die nur unwesentlich älter war, wurde durch einen dummen Zufall Augenzeugin des Verbrechens. Das macht die Misere natürlich verständlich – es erklärt Liams Lebensuntüchtigkeit, seinen Selbstmord, die missvergnügte Weise, in der das Thema "Geschlechtsverkehr" abgehandelt wird. Die Chose ergibt im Nachhinein einen makabren Sinn. Aber ist die Konstruktion nicht ein klein wenig banal?"