Werden E-Book-Reader ein Massenmarkt?

22. Oktober 2008
von Börsenblatt
E-Book-Reader wie zum Beispiel das Kindle waren ein großer Hype auf der Buchmesse 2008 und deshalb sollte man wohl darüber nachzudenken, welches Marktpotential hinter dieser aufregenden Neuheit stecken kann. Ein Text von Klaus Wrede (Symposion Publishing).
Zunächst ist es dafür ganz nützlich, wenn Sie sich noch einmal klar machen, was ein E-Book-Reader eigentlich ist - nämlich ein Handheld-PC (oder PDA) mit einer neuen, innovativen Bildschirmtechnologie. Zur Abschätzung der Marktchancen sollten Sie sich zunächst also zwei Fragen stellen: • Warum sind Handheld-PCs, die es ja nun schon seit einigen Jahren gibt, nach wie vor ein Nischenprodukt? • Warum wird die innovative Bildschirmtechnologie „Electronic Ink“ nur auf E-Book-Readern eingesetzt und nicht – was doch naheliegend wäre – auf Laptops oder Desktop-Bildschirmen? Die neue Bildschirmtechnologie Lassen Sie uns mit der zweiten Frage beginnen. „Electronic Ink“ ist tatsächlich eine revolutionäre technologische Entwicklung. Die Buchstaben stehen so plastisch auf dem Bildschirm, dass man meint, sie anfassen zu können. Das Lesen ist, da kein Durchlicht die Augen belastet, außerordentlich angenehm. Sie hätten gerne nur noch solche Bildschirme! Es gibt aber leider gute Gründe dafür, dass die Technologie nicht allgemein eingesetzt wird. Zunächst ist die Anzeige beschränkt auf schwarz, weiss und einigen Graustufen. Farbigkeit ist derzeit nicht möglich. Zum Zweiten hat die Anzeige eine deutlich geringere Auflösung als herkömmliche Bildschirme. Detailreiche Abbildungen sind also nicht gut darstellbar. Und drittens ist der Bildaufbau wesentlich langsamer als Sie das gewohnt sind. Das Surfen im Internet, das schnelle Scrollen durch Emails und Textdateien, dies alles wäre mit einem „Electronic Ink“ Bildschirm unerträglich langsam. Natürlich wird die Technologie weiter entwickelt werden, Auflösung und Bildaufbau werden sich verbessern, Farbigkeit wird vielleicht irgendwann kommen. Aber jetzt sind diese Merkmale nicht gegeben. Und deshalb eignet sich die Technologie derzeit eigentlich nur für Geräte, auf denen statische Inhalte angezeigt werden sollen, die selten wechseln und keine Farbe erfordern – wie eben den E-Book-Reader. Die Nützlichkeit von Handheld-PCs Vor einigen Jahren gab es einen großen Hype um ein neues Apple-Produkt namens „Newton“. Dieses Gerät sollte die Art revolutionieren, wie wir mit dem Computer arbeiten. Der „Newton“ war ein Handheld-PC, der nur aus einem Bildschirm bestand und auf eine Tastatur zur Dateneingabe völlig verzichtete. Die Idee dahinter war, dass die Dateneingabe per Tastatur eigentlich unergonomisch ist und es viel eleganter, bequemer und schneller wäre, wenn der Nutzer seine Daten einfach per Handschrift mit einem Stift direkt auf dem Bildschirm eingeben könnte. Das ganze Konzept war brilliant, scheiterte aber daran, dass es nicht gelang, eine Software zu entwickeln, die mit hoher Zuverlässigkeit handschriftliche Eintragungen in ein Textdokument umsetzen konnte. Und weil sich daran bis heute nichts Wesentliches geändert hat, ist der Markt für solche Handhelds immer noch begrenzt auf Segmente, in denen mobile Datenerfassung zwingend ist, viele Daten über Tickboxen und Auswahllisten eingegeben werden können und handschriftliche Notizen als Bild (nicht als Text) abgespeichert werden können. Das Marktpotential von E-Book-Readern Jeder, der einen E-Book-Reader ein paar mal benutzt hat, wird sich fragen: Warum kann ich hier keine Texte eingeben? Warum kann ich meine Mails nicht abrufen? Warum kann ich nicht im Internet surfen? Warum ist dies hier eigentlich kein ganz normaler Computer auf dem ich auch mal ein Buch lesen kann? Die Antwort darauf ergibt sich aus dem zuvor Gesagten – es ist technisch nicht befriedigend lösbar. Nachdem ich selbst seit über einem Jahr Besitzer eines E-Book-Readers bin, möchte ich folgende Prognose wagen: nach der ersten Begeisterung werden Sie Ihren Laptop vermutlich fast immer Ihrem E-Book-Reader vorziehen. Es sei denn: • Die Nutzung des Laptops ist unbequem, weil kein Tisch zur Verfügung steht • Der Bildschirm ist dauernd direktem Sonnenlicht ausgesetzt. Wenn Sie einmal nachdenken, wann das eigentlich der Fall ist, dann bleibt nicht sehr viel mehr übrig als: am Strand, in der Badewanne und im Bett. Für Strand und Badewanne sind aber gedruckte Bücher besser geeignet, weil die weniger empfindlich auf Nässe, Sonnenlotion und Sandkörner reagieren. Und für das Lesen im Bett brauchen Sie eigentlich kein Gerät, das tausend Werke speichert, weil ihre liebgewordene Büchersammlung ja nur ein paar Schritte weit entfernt ist.