Hauptversammlung LV SaSaThü

Wahlen, Zahlen und ein Blick zurück nach vorn

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Mit der Zustimmung zur neuen Beitragsstaffel ab 2010 sichert die 19. Hauptversammlung des LV SaSaThü die Leistungsfähigkeit des Verbands. Daneben wurde in Leipzig verhandelt, was aus dem Nachwende-Aufbruch ins Risiko der Marktwirtschaft geworden ist – und ob E-Books auch zwischen Erfurt und Zittau als dauerhafte Umsatzbringer taugen.
Hübscher Zufall: Die 19. Hauptversammlung des Landesverbands Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen fand genau zur Halbzeit der ARD-Themenwoche rund ums Ehrenamt statt. LV-Vorsitzender Wilfried Bengsch nutzte die mediale Großoffensive nicht etwa dazu, die Kärrner-Arbeit seiner Mitstreiter in Vorstand und Fachgruppen ins rechte Licht zu rücken (bei den Buchhändlern werden künftig Raimund Müller-Fiedler, Jacobi & Müller/Halle, und Anke Kauffmann, LeseLaune/Taucha, als Führungs-Tandem die Sisyphos-Steine rollen); nein, Bengsch kehrte den Spieß um: „Ohne die fleißige und unermüdliche Arbeit von Regine Lemke und Angelika Lau in der Geschäftsstelle wäre das Ehrenamt verloren.“

Dass dies nur ein Teil der Wahrheit ist, zeigte sich spätestens beim Finanzbericht von Dieter Baer, der sich angesichts des von ihm zu verantwortenden Budgets nicht „Schatzmeister“, sondern lieber „Etatverwalter“ nennen lassen wollte. Die Fakten: Seit seiner Gründung im Oktober 1990 hat der Dreiländerverband seine Mitgliedsbeiträge nicht erhöht; weder die Euro-Umstellung noch die Umbildung zum Gesamtverein 2003 wurden zum Drehen an der Beitragsschraube genutzt. Nun sind die Sparpotentiale erschöpft. Trotz vielerlei Rationalisierungsmaßnahmen schließt der Landesverband seit 2007 mit einem Minus von jeweils rund 4500 Euro ab; auch der Kostenvoranschlag fürs laufende Jahr geht von einem Defizit in ähnlicher Höhe aus.

Die Hauptversammlung hatte nun also über einen vom Vorstand ausgearbeiteten Vorschlag zur Beitragserhöhung ab 2010 zu befinden – keine populäre Maßnahme, gerade im notorisch klammen Osten, wo mehr als ein Drittel der Mitglieder in der untersten Beitragsklasse (weniger als 100.000 Euro Jahresumsatz) rangieren. Zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des Landesverbands, so Bengsch, sei eine Erhöhung „ohne Alternative“. Die Buchhändler und Verleger im Leipziger Haus des Buches sahen das genau so; mit nur drei Gegenstimmen passierte der Antrag. Die neue Beitragsstaffel wird ab 2010 wirksam. In der naturgemäß aufmerksamst beäugten niedrigsten Beitragsgruppe, die danach künftig mit 128 Euro zu Buche schlagen wird, steigt der Satz um moderate 26 Euro, gute zwei Euro pro Monat – der Gegenwert eines kleinen Bierchens zur Rettung der Schlagkraft des eigenen Branchenverbands, so dachten wohl viele, müsste eigentlich Ehrensache sein.

Einen kleinen Schönheitsfehler hat die Rechnung: Das optimistisch prognostizierte Einnahme-Plus von rund 10.000 Euro ist nur bei Beibehaltung der Mitgliederstruktur erreichbar – und die bröckelt doch erkennbar: Zählte der Landesverband im Jahr 2000 noch 587 Mitglieder, sind es heute 541 (91 Verlage, 325 Buchhandlungen, 125 Assoziierte). Erfreulich, dass im Rahmen einer Mitglieder-Akquiseaktion 2008 (zeitlich begrenzte Aussetzung der Aufnahmegebühr) immerhin 30 Neumitglieder gewonnen und die negative Tendenz erheblich abgemildert werden konnte. Verständlich, dass LV-Geschäftsführerin Lemke die Eintrittsgeld-Praxis am liebsten generell „überdenken“ würde: „Ich wäre froh, wenn es eine niedrigere Gebühr geben würde – und dafür mehr Mitglieder.“ Bleibt alles beim Alten, gilt vielen als ausgemacht, dass die nächste Beitragsanpassung vermutlich nicht 20 Jahre auf sich warten lassen wird.

Haben sie sich nun wirklich allein in Versammlungs-Regularien und Finanz-Kleinklein erschöpft, die mitteldeutschen Verleger und Buchhändler? Natürlich nicht. Christoph Kochhan (Börsenverein) und Jörg Gerschlauer (MVB) referierten in der gemeinsamen Fachgruppenversammlung am Vormittag über das Leseverhalten der Deutschen in Zeiten des E-Book-Hypes und die sich daraus für Verlag wie Handel ergebenden Chancen. Unter dem Titel „Aufbruch ins Risiko“ widmete sich eine Podiumsrunde der Entwicklung der ostdeutschen Verlagslandschaft seit der Wende. Ein Blick zurück nach vorn im Zeitraffer: Abwicklung und Agonie, aber auch, ja doch, handfeste neue Chancen. Wahrlich kein Grund, sich zu verstecken: Übers Jahr, am 5./6. Juni 2010, feiert  der Landesverband in Quedlinburg seinen 20. Geburtstag.