Individualbuch

"Das Geschäftsmodell kann nur dann funktionieren, wenn alle Prozesse vollständig automatisiert ablaufen"

23. Juli 2015
von Börsenblatt
"Nutzer wollen immer stärker Produkte, die nicht nur so etwa, sondern genau ihren Bedürfnissen entsprechen." Allerdings seien die Angebote noch nicht interessant genug und es hapere an den Prozessen. Ein Interview mit Prof. Ernst-Peter Biesalski, Studiengang Buchhandel/Verlagswirtschaft, Fachbereich Medien an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig.

Nach einigen Fehlstarts scheinen Individualbücher gerade eine Renaissance zu erleben. Wie schätzen Sie die aktuellen Marktbewegungen ein?
Biesalski:
Das große Geld lässt sich diesem Bereich derzeit sicher nicht verdienen. Der Zug wird zwar in diese Richtung fahren, doch wann die Reise so richtig losgeht, lässt sich kaum sagen. Die Zeit scheint mir noch nicht reif dafür, individualisierte Bücher unter wirtschaftlichen Bedingungen herzustellen und in größerem Umfang zu vertreiben.

Warum?
Biesalski:
Die Voraussetzungen stimmen nicht. Einerseits sind die Angebote noch nicht interessant genug, weil es an inhaltlicher Vielfalt mangelt. Andererseits ist die gesamte Abwicklung, von der Auftragsannahme über die Technik bis hin zur Rechnungsstellung, weiterhin sehr komplex und teuer. Mit anderen Worten: Das Geschäftsmodell kann im Prinzip nur dann funktionieren, wenn alle diese Prozesse vollständig automatisiert ablaufen. Hinzu kommt, dass es noch eine Reihe von Urheberrechtsproblemen zu lösen gibt.

Wollen Kunden individualisierte Bücher überhaupt?
Biesalski: Wenn man sich das Medienverhalten der heute Fünf- bis 15-Jährigen anschaut, dann bekommt man eine Ahnung davon, wohin es geht: Sie holen sich ihre Informationen über das Internet und stellen diese speziell für ihre Bedürfnisse zusammen. So existiert im Internet heute schon eine gigantisch große Auswahl aus der der Nutzer / Kunde wählen und individuell zusammenstellen kann – z. B. individuelle Musikzusammlungen bei last.fm oder die persönliche Bibliothek bei librarything und viele mehr. Und es muss auch nicht immer kostenlos sein, wie das Beispiel iTunes deutlich zeigt.

Aber es sind nicht nur die mit dem Internet groß gewordenen Nutzer. Letztlich ist es doch so, dass wir alle immer stärker Produkte nachfragen, die nicht nur so etwa, sondern genau unseren Bedürfnissen entsprechen. Warum sollte ich mir einen Reiseführer für Rom kaufen, der auf zwanzig Seiten das Nachtleben der ewigen Stadt beschreibt, wenn ich kein Interesse daran habe?

In welchen Bereichen könnten sich individualisierte Angebote für Buchverlage lohnen?
Biesalski:
Sicher ist der Verkauf von individualisierten Inhalte kein Ansatz für die gesamte Branche, aber es gibt doch genügend Potenzial: Sinn machen diese Angebote zum Beispiel bei Ratgebern, bei Reiseführern, Koch- oder Geschenkbüchern – und da gibt es ja auch schon einige Angebote – aber auch im Bereich der Fachliteratur. Hier finde ich das Angebot von paperc.de (Gewinner des AKEP Award 2009) sehr interessant. Es ist doch sehr praktisch, wenn Studierende sich alle Texte oder Textauszüge für ein Seminar im Internet zusammenstellen und dann ausdrucken können. Oder aber auf den e-book reader laden, was aber ein anderes Thema ist …

 

Interview: Max Florian Kühlem 

 

Mehr Informationen zum Themen finden Sie im Börsenblatt (Heft 32).