Essen & Trinken

"Quantensprung für die Qualität des Kochens"

1. Oktober 2009
von Börsenblatt
Ralf Bos, mit seiner Firma BosFood einer der wichtigsten Delikatessen-Händler Deutschlands, über kulinarische Trends – und die Frage, warum eine Ente nur dank Molekularküche so richtig schön saftig und kross wird.

Herr Bos, was ist zurzeit das Top-Thema in der Spitzengastronomie?
Bos: Der Megatrend ist die regionale Küche in Verbindung mit hochwertigen Produkten. Das ist vergleichbar mit dem Einfluss, den die mediterrane Küche seinerzeit genommen hatte: eine anhaltende Wirkung, von der gehobenen Gastronomie bis in die Privathaushalte hinein.

Bedeutet das das Ende für die Molekularküche?
Bos: Die regionale Küche wäre ohne die Molekularküche zum Scheitern verurteilt. Die Zubereitungsarten und Texturen, die die Molekularküche ausmachen, bedeuten einen Quantensprung für die Qualität des Essens. Jeder Koch, der das nicht nutzt, ist ein Frevler. Auch traditionelle Rezepte können mit molekularen Techniken weiter verbessert werden, zum Beispiel beim Entenbraten: während früher krosse Haut meist mit drögem Fleisch einherging, ist es mit den Erkenntnissen aus der Molekularküche ganz einfach möglich, durch und durch saftiges Fleisch in einer knusprigen Hülle zu erhalten. Einfach durch die Art der Zubereitung und ganz ohne chemische Hilfsmittel.

Das ist nicht gerade das, wodurch die Molekularküche so bekannt geworden ist... Haben die "Knalleffekte“ wie Kochen mit Stickstoff bei Minus 196 Grad, Zutaten aus der Lebensmittelindustrie und ungewohnte Texturen dieser neuen Art des Kochens mehr geschadet als genützt?
Bos: Tatsächlich machen sich Köche heute oft die Techniken zunutze, ohne mit Molekularküche zu werben, weil das, wodurch sie populär geworden ist, konservative Gäste abschrecken könnte. Ich kennen einen Koch, der ein Rezept, das er seit Jahren auf der Karte hat, durch molekulare Zubereitung verbessert hat. Wenn Gäste die Qualität loben, erzählt er aber lieber, dass er einen neuen Lieferanten hat... Eine Chance, die molekulares Kochen bietet, ist, aus bestehenden Gerichten das beste herauszukitzeln. Auf der Karte fällt diese Veränderung gar nicht auf. Andererseits ist es so: Wer sich damit auskennt, findet es toll. Wer keine Ahnung hat, findet es Mist. Das erging der Nouvelle Cuisine genauso. Molekularküche ist nicht nur schrill und bunt. Wenn der spanische Koch Ferran Adrià Orangenduft im Luftballon serviert, dann kann man das veralbern – oder es im Kontext sehen, nämlich als 31. Gang und an dieser Stelle als Erfrischung genau richtig.

Sie heben den Zuwachs von Qualität hervor. Wird auch der "Normalesser“ außerhalb der Spitzengastronomie profitieren können?
Bos: Der Hype um die Molekularküche hat seinen Zenit überschritten. Einige Dinge haben längst Eingang in die Standardgastronomie gefunden, wie zum Beispiel der Espuma, die Einstiegsdroge aus dem Sahnebläser, die vor 15 Jahren der molekularen Küche wie ein Paukenschlag alle Türen öffnete und einen Riesenboom auslöste. Viel wichtiger ist aber noch, dass auch die Einkäufer im Supermarkt letztlich davon profitieren werden, dass die Molekularküche den Trend zu hochwertigen, regionalen Produkten unterstützt: Auch der Endverbraucher erhält höhere Qualität. Molekularküche wird mit Sicherheit das Kochen in den nächsten Jahrzehnten beeinflussen.

Sie selbst sind als Autor, Trendscout, Betreiber einer Kochschule und Inhaber eines Delikatessenversands viel unterwegs. Kommen Sie da selbst eigentlich noch zum Kochen?
Bos: Wenig. Und wenn, brauche ich immer meine Leute, die hinter mir aufräumen und saubermachen – ich bin ein echtes Ferkel in der Küche!

Zur Person
Der gelernte Koch und Restaurantfachmann Ralf Bos (48) hat als Barkeeper, Oberkellner, Sommelier und Restaurantleiter in Restaurants und Hotels von Sylt bis Davos gearbeitet. Heute ist er mit seiner Firma BosFood einer der bedeutesten Delikatessen-Händler in Deutschland. Sein Buch „Trüffel und andere Edelpilze“ (Fackelträger) wurde mit der Goldmedaille der Gastronomischen Akademie Deutschlands ausgezeichnet. 2008 widmete er sich mit dem Titel „Avantgarde“ (Fackelträger. Edition Port Culinaire) ausführlich der Molekularküche. Darüber hinaus leitet er die Redaktion der Gourmetzeitschrift Port Culinaire. Ralf Bos lebt mit seiner Frau in der Nähe von Düsseldorf. Das Paar hat drei Töchter, die zum Teil ebenfalls schon eine professionelle Karriere am Kochtopf eingeschlagen haben.

Weitere kulinarische Themen serviert die aktuelle Ausgabe des Börsenblatts – in der Beilage "Essen & Trinken".