Frankfurter Buchmesse

Kopierschutz ohne Zukunft?

14. Oktober 2009
von Börsenblatt
Schaden Digital Rights Management (DRM) und Kopierschutz dem Geschäft mit digitaler Ware mehr, als sie ihm nützen? Vertreter der Buchbranche und der Musikindustrie haben die Frage heute vormittag auf der Frankfurter Buchmesse diskutiert. Als externer Experte kam der Jurist Julius Mittenzwei vom Chaos Computer Club (CCC) zu Wort.

Mittenzwei erklärte zunächst die grundsätzliche Funkionsweise des technischen Kopierschutzes: Um eine Datei für den Käufer les- oder hörbar zu machen, müsse das Lesegerät zwangsläufig den Schlüssel zum Öffnen des Schutzes enthalten. Dieser Schlüssel könne zwar auf unterschiedliche Weise versteckt werden; findige Computernutzer seien aber systembedingt stets in der Lage, ihn aufzufinden und damit den Kopierschutz zu umgehen: "Die technische Lösung der Industrie funktioniert nicht. Auch künftige Mechanismen werden die Probleme eher vergrößern." Amazons Kindle etwa fördere mit seiner Beschränkung auf das Angebot eines einzigen Anbieters die Marktkonzentration, die es doch eher zu verhindern gelte.

Auch MVB-Geschäftsführer Ronald Schild hält den Kopierschutz für problematisch: Er mache das E-Book zu einem schlechteren Produkt. "Die mit dem Schutz verbundenen Restriktionen werden von den Kunden nicht akzeptiert. Die Alternative heißt dann Rapid Share, BitTorrent oder Pirate Bay." Warum solle man für ein eingeschränktes Produkt bezahlen, wenn es woanders umsonst und dazu noch frei von Restriktionen zu haben sei? Schließlich müsse aber jeder Verlag selbst entscheiden, ob er am digitalen Geschäft teilhaben oder den Piraten das Feld überlassen wolle.

Stefan Michalik vom Bundesverband der Musikindustrie ermahnte die Buchbranche vor allem dazu, aus der Entwicklung im Musikgeschäft zu lernen und Fehler nicht zu wiederholen. Sowohl die Musik- als auch die Buchbranche seien mit ihren herkömmlichen Geschäftsmodellen aus einer sehr "einfachen Welt" gekommen. Jetzt aber seien neue Vermarktungskonzepte gefragt. In der Musik spiele der Kopierschutz heute je nach Geschäftsmodell eine unterschiedliche Rolle, gänzlich verzichtbar sei er aber nicht. Beim Zusatzgeschäft mit Handy-Klingeltönen habe das DRM beispielsweise wunderbar funktioniert, obwohl die Zielgruppe besonders jung und technik-affin sei. Einen Kopierschutz zu umgehen erfordere aber neben der technischen Möglichkeit eben auch ein hohes Maß an krimineller Energie.

Dagmar Laging vom Springer Verlag sieht die Probleme mit der Piraterie allerdings eher gelassen: "Das gab es doch auch schon zu reinen Printzeiten: Früher haben wir ganz Russland mit zwei Zeitschriftenabos bedient." Was DRM angeht, verfährt Springer zweigleisig: Groß geschnürte Themenpakete für Bibliotheken und Hochschulen werden ohne Kopierschutz ausgeliefert, um allen Nutzern des Kunden den ungehinderten Zugriff zu gewährleisten. Beim digitalen Verkauf von Einzeltiteln setzt aber auch Springer auf Kopierschutz.

Das Fazit zog Julius Mittenzwei mit seinem Appell an die Verlage: "Sie müssen hippe Web-2.0-Angebote um ihren Content stricken, bevor die Tauschbörsen die Oberhand gewinnen."