Börsenblatt-Café auf der Buchmesse

Hoppla, wir leben noch – ein Buchjahrzehnt im Rückblick

17. Oktober 2009
von Börsenblatt
Rocket-Book und Reich-Ranicki, Freundschaftsbändchen und Fusionen: Die Nullerjahre hatten es in sich. Was im Buchmarkt und darüber hinaus passierte, kam im Börsenblatt-Café aufs Tapet.

Im Jahr 2000 fing alles an: Stephen King veröffentlichte als erster internationaler Bestsellerautor ein Buch ausschließlich in elektronischer Form. Für fünf Mark – ja, damals gab es noch Mark – wird es in zwei Wochen 500 000 Mal heruntergeladen. Als Lesegerät gab damals höchstens das Rocket Book (600 Gramm schwer!), und noch keine Smartphones und damit verbundene Daumenverkrümmungen. Heute aber: "Wir leiden an einer neuen Volkskrankheit, die 'iPhone-Kralle', meint Verleger Dietrich zu Klampen.

Botox ist Anfang des Jahrzehnts im Gespräch, damit kann man alles aufspritzen. Auch Verlage? Viele hätten es nötig, Carlsen aber nicht. Deutschland ist im Harry-Potter-Fieber: Band 4 erscheint 2000 mit einer Startauflage von mehr als einer Million Exemplare. Die Anlieferung erfolgt aus vier Druckereien mit mehr als 60 Sattelschleppern. Gute Zeiten für den Buchhandel.

Konzentration im Buchmarkt und die immer kürzer werdende Halbwertszeit von Büchern im Verkauf – auch das war ein Trend in den Nullerjahren. Zu Klampen: "Es findet eine 'Vereinfältigung' statt." Was kein Bestseller ist, hat es schwer, überhaupt in die Regale zu kommen. Sind die Ketten die Bösen? "Wir lästern oft über große Läden", sagt zu Klampen, "aber oft sind es auch die kleinen Sortimenter, bei denen die Kundenorientierung noch zu wünschen übrig lässt." Da werde man als "Stöberer" bezeichnet, wenn man sich im Laden nur umschaut oder mit einem "Die Kasse ist hier" angeraunzt. "Kleine Läden können nur durch Charmanterie überzeugen“, davon ist Illustratorin Sybille Hein überzeugt.

In den Nullerjahren oftmals abhanden gekommen: "Das, was man Haltung oder Stil eines Verlags nennt", so Sybille Hein. "Wo sind die Verlage geblieben, die konsequent ihre Richtung verfolgen und einen vielversprechenden Autor über mehrere Jahre aufbauen, auch wenn am Anfang nicht das große Geld dabei herausspringt?" Statt Klasse zähle die Masse, die Verkaufsmasse. Und das fordert Opfer. "Das anspruchsvolle politische Sachbuch befindet sich in einem Sinkflug", behauptet zu Klampen.

Die Veranstaltung moderierte Börsenblatt-Redakteur Stefan Hauck. Eine Videoaufzeichnung dieser Veranstaltung finden Sie in Kürze auf boersenblatt.net.