Meinung

Über Zustandsbeschreibungen in Antiquariatskatalogen

24. Oktober 2009
von Börsenblatt
"Best., etw. ber. u. fl. L. gebr. u. fl. Vorsatzbl. braunfl. u. m. kl. alten hs. Eintrag. Guter Zustand und sehr schöner Einband." Über Zustandsbeschreibungen in Antiquariatskatalogen. Eine Betrachtung von Werner Kohlert.

Überraschend, aber willkommen flattern die Antiquariats-, Messe- und Versteigerungskataloge ins Haus. Zuerst wird nach Desideraten gefahndet, man bleibt aber an Abbildungen hängen, gerät ins träumen über nicht erreichbare angebotene Bücher, wundert sich gelegentlich, woher sie wohl kommen, um endlich den Katalog gründlich zu studieren. Es ist immer das gleiche Ritual. Kürzlich traf der Katalog einer Antiquariatsmesse ein. Als ich ihn beiseite legte, Tage später ihn erneut durchforstete, quer durch alle Anbieter, fielen mir die Zustandsbeschreibungen der Exemplare auf. In der Regel sind sie fachmännisch solide, und man kann sich auf der Grundlage einer detailreichen Beschreibung des Buches ein anschauliches Bild vom Erhaltungszustand des Angebots machen. Es gibt aber auch Beschreibungen ohne Wert, zum Beispiel: "Gutes Exemplar mit kleinen Mängeln." "Nur geringe Altersspuren, insgesamt gut erhalten." "Ungewöhnlich gut erhalten." Ist davon auszugehen, dass antiquarische Bücher gewöhnlich schlecht erhalten sind? So werden Klischeevorstellungen bedient.

Dann gibt es Anmerkungen zum Schmunzeln, mögen sie nun bewusst oder unbewusst entstanden sein: "RDeckel mit dem üblichen sowjet. Zensurstempel. – Sehr selten." "'Organseelenglaube, Eingeweide-Wahrsagung, Zauber mit Eingeweiden, Heilung durch Eingeweide…' Von guter Erhaltung." Ein Buch über einen "Vorläufer des Dixi Klos", einer "beweglichen und nicht stinkenden Abtritts-Grube" aus dem Jahre 1819: "Unaufgeschnittenes, sehr sauberes und frisches (!) Exemplar!"

Modernismen, die sich auch finden, sollten in einem Messekatalog vermieden werden: "Elefanten-Folio. Absolut Neuwertig!"; "insgesamt super erhalten". Auch "Sehr schön erhalten" ist sprachlich nicht korrekt, es sollte schon "gut" heißen. Aber kann man noch von "bester Erhaltung" sprechen, wenn von "bis auf die wenigen angegebenen Knickspuren" die Rede ist? Oder: "Von vereinzelten Fingerflecken abgesehen schönes und sehr gut erhaltenes Exemplar"?

Ärgerlicher sind solche Beschreibungen: "Vorderer Vorsatz mit Knickfalte und Titel etwas gebräunt, sonst, von dem leicht gebrauchten Einband abgesehen, bemerkenswert gut erhalten." "Innen die Seiten sind vereinzelt etwas nachgedunkelt, besonders der fliegende Vorsatz und der Schmutztitel, leider stellenweise leicht stockfleckig. Insgesamt ein sehr gut erhaltenes Exemplar." "Exlibris, Innengelenke angeplatzt, 1 Tafel an eine andere montiert, zu Beginn mit Feuchtrand im Bug, leicht, vereinzelt etw. gebräunt, nahezu fleckenfreies Exemplar." "Das Bezugspapier des Deckels mit kleinen Absplitterungen und Fehlstellen am Rand, Rückdeckel mit altem Namensaufkleber, sonst nur ganz leicht fingerfleckig und ungewöhnlich gut erhalten." "Stärker ber., best. u. fl. Durchgehend gebr. u. stockfl., 1 Vorsatzbl. fehlt, Tit-Bl. tls. lose, ansonsten solider Zustand." "Best., etw. ber. u. fl. L. gebr. u. fl. Vorsatzbl. braunfl. u. m. kl. alten hs. Eintrag. Guter Zustand und sehr schöner Einband." "Buchblock gebrochen, sonst gut erhalten."

Die Beispiele mögen genügen. Abgesehen von fachfremden Begriffen, Sprachverhunzungen und kaum entzifferbaren Abkürzungen sind solche Zustandsbeschreibungen irreführend. Milde ausgedrückt sind sie beschönigend. Der Antiquar hat den Zustand seiner Ware Buch exakt zu dokumentieren, sich aber einer Wertung zu enthalten. Das ästhetische Urteil darüber wird der Käufer selbst fällen.

Werner Kohlert